Planet im Halbschatten: Künstlerische Darstellung der Venus
ESO/M. Kornmesser & NASA/JPL/Cal
ESO/M. Kornmesser & NASA/JPL/Cal
Astronomie

Lebensspuren auf der Venus

Forscher und Forscherinnen der europäischen Südsternwarte haben in der Venus-Atmosphäre Hinweise auf Leben entdeckt. Sollte sich das bestätigen, wäre das die wissenschaftliche Sensation des Jahres: Den endgültigen Beweis wird erst eine Raumsonde liefern können.

460 Grad Durchschnittstemperatur, dazu ein Druck von 90 bar. Man könnte sich lebensfreundlichere Bedingungen vorstellen, als sie auf der Venus herrschen. Doch das gilt nur für die Oberfläche des etwa erdgroßen Planeten. Hoch oben in der Venus-Atmosphäre, in 55 Kilometern Höhe, beträgt die Temperatur bloß 20 Grad, auch der Druck ist mit den Bedingungen auf der Erde vergleichbar.

„Nur durch Leben erklärbar“

Dort hat ein Team um die beiden Astronominnen Jane Greaves und Clara Sousa nun mit Hilfe von Teleskopen das Molekül Phosphin aufgespürt. Das tetraederförmige Molekül – es sieht so ähnlich aus wie Ammoniak – gibt es auch auf der Erde, „nur hat sich bisher kaum jemand dafür interessiert“, sagt die MIT-Forscherin Clara Sousa.

Das dürfte sich nun ändern: Denn Phosphin wird auf der Erde zum größten Teil von Bakterien unter Abwesenheit von Sauerstoff hergestellt. Die Werte, die das Team in der Venus-Atmosphäre gemessen hat, sind eigentlich rätselhaft. Beziehungsweise wären sie es, würde man sich auf „normale“ Chemie beschränken. „Wir haben alle möglichen Quellen berücksichtigt, Geologie, Vulkanismus, Atmosphärenchemie – alles, was überhaupt denkbar ist. Aber es reicht einfach nicht: Wir können die Messwerte nur durch Leben in der Venus-Atmosphäre erklären“, so Sousa im Gespräch mit science.ORF.at.

Künsterische Darstellung der Venus-Atmosphäre
ESO/M. Kornmesser/L. Calçada
Die Phosphin-Moleküle wurden mit dem James Clerk Maxwell Telescope und dem Atacama Large Millimeter Array nachgewiesen

Ein Beweis ist das freilich noch nicht. Der wäre erst dann erbracht, wenn man Raumsonden zu dem – je nach Position – 38 bis 260 Millionen Kilometer entfernten Planeten schicken würde, um Proben einzusammeln und zurück zur Erde zu bringen. Das wäre möglich, bestätigt Studienleiterin Jane Greaves. „In ein paar Jahren“ soll es so weit sein, bis dahin haben für die Forscherin von der Cardiff University die Messungen per Teleskop Vorrang. „Wir haben mit diesem Projekt erst begonnen. Ich kann mir gut vorstellen, dass es dort auch noch andere Moleküle gibt, die auf Leben hindeuten. Die wollen wir finden.“

Schwefelsäure in der Atmosphäre

Im weiten Feld zwischen Hinweis und dem noch nicht erbrachten Beweis sind naturgemäß jede Menge Spekulationen möglich. Sicher ist, dass die Organismen, so es sie gibt, in der oberen Atmosphäre der Venus verbleiben und dauerhaft in Tröpfchen schweben müssen. „Areal life“, nennen das die Forscherinnen. Zu Boden zu sinken, wie das etwa bei den in der Luft lebenden Bakterien der Erde immer wieder der Fall ist, sei keine Option, betont Greaves. „Denn dann werden sie gekocht.“

Wobei laut den bisherigen Messungen auch in der oberen Venus-Atmosphäre nicht gerade ideale Bedingungen herrschen. Die Wolken bestehen zu 90 Prozent aus Schwefelsäure, das würde selbst die robustesten („extremophilen“) Bakterien überfordern. Sousa kann sich daher vorstellen, dass die Venus eine ganz andere Art von Leben beherbergt, als wir es kennen. „Vielleicht verwenden diese Lebensformen Schwefelsäure als Lösungsmittel? Meine Kollegen haben dazu ein paar Modelle entwickelt. Es wäre möglich.“

Mit den Modellen der Planetenforschung wären solche Überlegungen jedenfalls kompatibel. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Venus der Erde vor zwei bis drei Milliarden Jahren recht ähnlich war, mit Wasser, gemäßigten Temperaturen und durchaus lebensfreundlichen Verhältnissen. Zum Kochtopf wurde die Venus-Atmosphäre erst später – durch einen außer Kontrolle geratenen Treibhauseffekt.