Blick aus dem Flugzeug: Riesige Spalten im Pine-Island-Gletscher
Brooke Medley/NASA
Brooke Medley/NASA
Klima

Antarktische Gletscher immer instabiler

Wie die mittelfristige Zukunft von Küstenregionen aussieht, entscheidet sich vor allem in den Polarregionen der Erde: Das schmelzende Landeis der Antarktis könnte den Meeresspiegel weiter steigen lassen – dieses Szenario wird laut einer Studie immer wahrscheinlicher.

Die gesamte Antarktis hat genug Wasser in Form von Eis gespeichert, um den Meeresspiegel um rund 58 Meter ansteigen zu lassen. In der aktuellen Studie beschäftigte sich das Team um Stef Lhermitte von der Technischen Universität Delft (Niederlande) mit dem Zustand des Pine-Island- und des Thwaites-Gletschers in der Westantarktis, die in die Amundsensee münden. Zusammen trugen diese beiden Eisströme in den vergangenen 40 Jahren rund fünf Millimeter zum Anstieg des globalen Meeresspiegels weltweit bei, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „PNAS“.

Satellitenbilder zeigen Veränderung

Dort, wo die beiden Gletscher aufs Meer treffen, bilden sie große Schelfeisflächen, die weit in das Meer hinausragen. In den vergangenen zehn Jahren wurden deutliche Veränderungen bei den gut untersuchten Gletschern registriert, sagt Studien-Coautor Thomas Nagler von der Innsbrucker Forschungsfirma ENVEO IT. Nagler und seine Kollegen führten die Analyse von neuen, hochauflösenden Satellitenbildern aus dem europäischen Erdbeobachtungsprogramm „Copernicus“ durch. Die Daten flossen in die Modellberechnungen zur Instabilisierung der beiden Gletscher ein.

Durch das von der europäischen Raumfahrtbehörde ESA umgesetzte Programm könne man die Eisverluste nun mit hoher Auflösung und Genauigkeit beobachten. Die Tiroler Firma ist im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte in das Monitoring der Landeisflächen eingebunden und betreibt ein Service im Auftrag der EU zur Beobachtung der Dynamik der Landeismassen. Aktuelle Studien zeigen, dass die in den vergangenen Jahren beobachteten Massenverluste der Eisschilde den höchsten Prognosen zum Meeresspiegelanstieg entsprechen. Für die antarktischen Küstengebiete gibt es in etwa alle sechs Tage neue Aufnahmen, erklärt Nagler.

Spalten und Klüfte im Eis

Die neuen Analysen zeigen eine deutliche zunehmende Instabilität der Frontbereiche des Schelfeises des Pine-Island- und des Thwaites-Gletschers. Das zeigt sich in der deutlichen Zunahme von Bruchspalten und Klüften, die am Schelfeis die gesamte Dicke des Eiskörpers durchziehen. Verursacht wird dies einerseits durch die Erwärmung der Atmosphäre, aber auch des Ozeans in der Umgebung der Gletscher.

„Dadurch kommt es an der Oberfläche und Unterseite zu einem verstärkten Schmelzen, das Schelfeis wird dünner und es treten vermehrt Spalten und Risse auf“, so Koautor Jan Wuite von ENVEO IT. Das führt auch zum Rückzug der unter Wasser befindlichen Aufsetzlinie des Eises, die den auf Grund aufsitzenden vom schwimmenden Teil des Gletschers trennt.

Die Modelle, mit denen die Forscher arbeiten, machen deutlich, dass diese Vorgänge auch Auswirkungen auf die gewaltigen Eisströme im Hinterland haben. „Die Zerfallsprozesse beeinflussen die Stabilität der Schelfeise und sind somit auch wichtig für die Modellierung des Meeresspiegelanstiegs“, sagt Nagler. Die in der Westantarktis gespeicherte Eismasse könnte den Meeresspiegel um mehr als drei Meter ansteigen lassen.