Ausgetrocknete Erde im Randbereich eines Ackers
APA/HELMUT FOHRINGER
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Studie

Klimaerwärmung kann Migration antreiben

Dürren, Stürme, Fluten: Vom Klimawandel ausgelöste Umweltveränderungen können Migration verstärken. Wie sehr, hängt aber stark von der wirtschaftlichen und politischen Situation eines Landes ab, heißt es in einer neuen Übersichtsstudie.

Roman Hoffmann vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung hat mit Kollegen und Kolleginnen dafür in 30 verschiedenen Länderstudien das komplexe Zusammenspiel zwischen Umweltveränderungen, sozio-politischen Faktoren und Migration untersucht. In diesen Studien ging es nicht nur um den Einfluss von langfristigen Klimaveränderungen, sondern auch um Auswirkungen von Extremwetterereignissen wie schweren Stürmen.

Oft Migration im gleichen Land

In einem großen Teil der analysierten Studien wurde ein Zusammenhang zwischen Umweltveränderungen und Migration bestätigt, schreiben die Forscher und Forscherinnen im Fachjournal „Nature Climate Change“. Trivial seien diese Wechselwirkungen allerdings nicht – das Bild von nach Europa oder in die USA drängenden Klimaflüchtlingen sei häufig zu einfach. Die umweltbedingte Migration hänge immer von einer Reihe wirtschaftlicher und soziopolitischer Faktoren ab, betonen die Forscher.

So fanden sie deutliche Belege dafür, dass Umweltveränderungen überwiegend zu Migration innerhalb der betroffenen Länder führen, oder zu Wanderungsbewegungen in andere Staaten mit niedrigem und mittlerem Einkommen – und nicht zu grenzüberschreitender Migration in Länder mit hohem Einkommen. Betroffene Bevölkerungsgruppen würden oft an Orte innerhalb ihrer eigenen Region übersiedeln und nach relativ kurzer Zeit wieder an den Herkunftsort zurückkehren.

Agrarländer mit mittlerem Einkommen besonders betroffen

Besonders deutlich zeigte sich der Zusammenhang zwischen Umwelteinflüssen und Migration in Studien, die sich auf Länder mit mittlerem Wohlstandsniveau konzentrierten. „Wenn wenig Wohlstand vorhanden ist, fehlen oft die Ressourcen, die für Migration, insbesondere über Ländergrenzen hinweg, notwendig sind", erklärte Hoffmann. Stärker sind die Auswirkungen von Umweltveränderungen auch in Ländern, in denen ein größerer Anteil der Bevölkerung von der Landwirtschaft und damit von der Umwelt abhängig ist“, so Hoffmann.

Dagegen hätten in Ländern mit einem höheren durchschnittlichen Wohlstandsniveau die Menschen oft bessere Möglichkeiten, sich vor Umweltveränderungen zu schützen. Aber selbst dort kann es zur Umweltmigration kommen, wie sich am Beispiel der USA zeigt, wo nach dem Hurrikan Katrina 2005 viele Menschen aus den betroffenen Gebieten weggezogen sind.

Als für den Klimawandel besonders anfällige Regionen, in denen die Umweltmigration künftig besonders stark ausgeprägt sein könnte, identifizierten die Forscherinnen und Forscher Lateinamerika und die Karibik, mehrere afrikanische Länder südlich der Sahara, insbesondere in der Sahelzone und in Ostafrika, sowie West-, Süd- und Südostasien. Dort sei die Bevölkerung „besonders gefährdet“, so Ko-Autorin Anna Dimitrova vom ÖAW-Institut für Demographie.

Eine unfreiwillige Anpassungsstrategie

Je nach Art der Umweltgefahren sind die Auswirkungen auf Wanderungsbewegungen unterschiedlich, verschiedene Gefahren können sich auch gegenseitig verstärken. So haben Temperaturänderungen den stärksten Einfluss auf die Migration, aber auch rasch einsetzende Naturkatastrophen und sich verändernde Niederschlagsmengen spielen eine Rolle. Die Forscher verweisen hier insbesondere auf Kleinbauern, die auf stabile klimatische Bedingungen angewiesen sind und kaum Kapazitäten hätten, sich anzupassen.

Angesichts steigender globaler Durchschnittstemperaturen gehen die Forscher von einer in Zukunft steigenden umweltbedingten Migration aus. Als besten Weg, die Menschen in den von Umweltveränderungen betroffenen Regionen zu schützen nennt Ko-Autor Jesus Crespo Cuaresma von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien „die Stabilisierung des Weltklimas, also die rasche Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen aus der Verbrennung fossiler Energieträger“. Migration könne zwar eine wirksame Anpassungsstrategie sein, „aber meist passiert sie unfreiwillig und geht mit nicht hinnehmbarem menschlichen Leid einher – nicht hinnehmbar, weil es tatsächlich vermieden werden kann.“