Eine Frau steht mit Kopfhörern vor einer U-Bahn
Halfpoint – stock.adobe.com
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Lautstärke

Smartphone kann das Gehör gefährden

Eine ständige Überreizung des Hörsinns stresst Ohren, Gehirn und Herz. Mit zu viel Hintergrundlärm werden Smartphone & Co. oft viel zu laut gedreht und über Kopfhörer gehört. Genaue Studien fehlen noch, aber erste Erhebungen zeigen: Das Hörvermögen bei jungen Menschen nimmt tendenziell ab.

Das Hören ist einer der fünf Sinne des Menschen, ein zentraler Weg, um die Umwelt wahrzunehmen und mit ihr in Kontakt zu treten. Um das Hörvermögen zu messen, gibt es verschiedene Wege: Ein wichtiger Punkt ist das Sprachverständnis. Darunter versteht man die Fähigkeit eines Menschen, Hintergrundlärm von gesprochener Sprache zu unterscheiden und den Inhalt trotz der Störgeräusche zu verstehen.

Sprachverständnis als komplexe Aufgabe

Der HNO-Arzt hingegen macht ein Audiogramm. Dabei wird in Ruhe geprüft, ob man einzelne Töne wahrnehmen kann. Das sei sinnvoll, um die Grundlage des Hörens zu überprüfen, so Bernhard Laback vom Institut für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Sprachverständnis fordere das Hörvermögen eines Menschen aber stärker: „Beim Störgeräusch muss man die Sprache aus dem Hintergrund herausfiltern. Das erfordert komplexe Prozesse, bei denen selbst moderne Computer-Algorithmen nicht an unsere menschlichen Fähigkeiten heranreichen.“

Ö1 Sendungshinweis:

Über dieses Thema berichtet auch "Wissen Aktuell am 21.9.2020. Ö1 widmet dem Hören einen Schwerpunkt mit zahlreichen Sendungen.

Um diese Aufgabe erfüllen zu können, müssen die Teile des Ohres flexibel bleiben. Wenn sie beim Älterwerden verkalken, die Gehörknöchelchen nicht mehr so gut schwingen können, dann schwindet auch das Hörvermögen, so Laback: „Dadurch kann die Schallwelle nicht so gut ans Innenohr übertragen werden, und auch im Innenohr selbst gibt es Prozesse, die dafür sorgen, dass es nicht mehr so elastisch, nicht so leichtgängig schwingt in Reaktion auf ein akustisches Signal. Das führt dann – neben anderen Prozessen etwa im Gehirn – am Ende zu einer Verschlechterung.“ Dadurch höre man nicht nur einzelne Töne schlechter. Es werde auch immer schwieriger, Sprache von Hintergrundlärm zu trennen. Eine ständige Überreizung des Gehörs durch Lärm beschleunigt die Verschlechterung.

Hörtest auf YouTube:

Info zum Video: Grundsätzlich kennt man bei den Frequenzen diese Schwellenwerte – 8.000 Hertz sollte jeder Mensch hören können. Einen Ton mit 12.000 Hertz hören die meisten Unter-50-Jährigen, 15.000 Hertz die Unter-40-Jährigen, 16.000 Hertz die Unter-30-Jährigen, 18.000 Hertz die Unter-20-Jährigen und 19.000 Hertz die Unter-15-Jährigen. Achtung: Ob und wie stark man den Ton hört, hängt – neben anderen Faktoren – auch von der Lautstärke und der Qualität der Kopfhörer bzw. Lautsprecher ab. Ein Selbstversuch mit obigem Video kann einen Test durch Fachleute nicht ersetzen.

Industrie, Großraumbüros und Smartphones

Wie sich das Hörvermögen verändert, wird immer wieder wissenschaftlich untersucht. Studien der letzten Jahre wie etwa diese Untersuchung aus den USA haben gezeigt: Der altersbedingte Hörverlust durch Lärm am Arbeitsplatz geht zurück. Das bestätigt auch Bernhard Laback: „Arbeitsplatzbedingter Lärm, vor allem aus dem Industriesektor, ist durch Schutzmaßnahmen in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.“ Gestiegen sei hingegen die Belastung durch Großraumbüros: „Dort gibt es einen ständigen Geräuschpegel, der zwar nicht schädlich für das Gehör ist, aber Stress für das Herz-Kreislauf-System auslöst.“

Auch bei jungen Menschen zeichne sich eine Änderung in Sachen Hörvermögen ab: Sie konsumieren Musik und anderes in erster Linie über Kopfhörer. Tun sie das in einer ruhigen Umgebung, wählen viele eine für das Gehör angenehme Lautstärke. „Problematisch wird es meist dann, wenn man in die U-Bahn steigt, wo ein sehr lauter Hintergrundschall vorliegt. Die meisten drehen dann weiter auf, damit sie trotz Störlärm noch etwas hören. Erst wenn sie die U-Bahn wieder verlassen und der Störlärm wegfällt, merken sie, wie laut sie gehört haben.“

Es gibt erst wenige Studien mit Hinweisen, dass das Hörvermögen bei jungen Menschen abnimmt – etwa diese Untersuchung zu Jugendlichen in den USA. „Noch sind die Daten zu wenig robust, um von einer gesicherten Entwicklung zu sprechen“, so Bernhard Laback. „Aber man kann auch nicht Entwarnung geben. Es geht schon in eine Richtung, wo man sich Sorgen machen und auf jeden Fall Bewusstsein schaffen muss.“ Kurzes Hören bei großer Lautstärke sei nicht sofort schädlich für das Gehör. Bei längerem Hören sollte man aber 80 Dezibel – das ist in etwa so laut wie eine stark befahrene Straße – nicht überschreiten, so der Schallforscher.