Männlicher Dachsammer singt auf einem Zweig
J.N. Phillips
J.N. Phillips
Lockdown

Stille ließ Vögel schöner singen

Statt Autolärm hat man plötzlich die Vögel zwitschern gehört – der Lockdown hatte auch positive Nebenwirkungen. Wie eine Studie aus San Francisco zeigt, war der Gesang nicht nur besser hörbar. Er hat sich tatsächlich verändert und klang wieder wie vor Jahrzehnten – deutlich vielfältiger.

Wenn Vögel zwitschern, rufen und singen, machen sie das nicht zum Vergnügen, ihre Stimme ist mitunter überlebenswichtig. Sie nutzen sie unter anderem, um sich mit ihren Artgenossen abzustimmen, ihr Revier abzugrenzen oder um potenzielle Partner zu beeindrucken. In den vergangenen Jahrzehnten wurde diese Kommunikation aber vielerorts zunehmend erschwert. Besonders in der Stadt drohten die zarten Vogelstimmen vom Lärm verschluckt zu werden.

Viele Tiere haben ihr angestammtes Terrain dennoch nicht verlassen, sondern ihr Gezwitscher an die veränderte Geräuschkulisse angepasst. Viele Vogelarten singen heute z.B. lauter und höher, um das tiefe Brummen von Autos und anderen Maschinen zu übertönen. Wie die Forscherinnen und Forscher um Elizabeth P. Derryberry von der University of Tennessee in ihrer soeben im Fachmagazin „Science“ erschienenen Studie schreiben, hat das aber einen Preis: Die Qualität und die Ausdrucksstärke des Gesangs leiden. Wer weniger auffallende Lieder singt, wird auch weniger gehört. Das kann beispielsweise den Fortpflanzungserfolg schmälern.

Männlicher Dachsammer
J.N. Phillips

Plötzlich Stille

Als im Frühjahr dieses Jahres die beginnende Coronavirus-Pandemie das Leben zum Stillstand brachte, wurde es auch still in den Städten. Plötzlich hörte man wieder Vogelgezwitscher und viele ältere Menschen fühlten sich an den Klang ihrer Kindheit erinnert.

Tatsächlich war es etwa in den Straßen von San Francisco so laut bzw. so leise wie zuletzt in den 1950er Jahren, schreiben Derryberry und Co. Das Team beschäftigt sich seit vielen Jahren damit, wie sich Stadtlärm auf Vögel auswirkt. Nun wollte man klären, ob die Tiere durch die plötzliche Stille einfach hörbarer geworden sind oder ob sich ihr Gesang möglicherweise sogar verändert hat.

Dafür verglichen sie Gesangsaufnahmen von Dachsammern, einer amerikanischen Singvogelart, aus dem heurigen Frühjahr mit fünf Jahre alten Archivaufnahmen aus derselben Gegend. In früheren Arbeiten hatten die Vogelforscher festgestellt, dass die Stadtvögel ihren Gesang an den Lärm angepasst haben und anders klingen. So sind sie heute unter anderem dreimal so laut wie ihre am Land lebenden Artgenossen.

Ein Dachsammer-Männchen singt

Wie damals

Die aktuellen Ergebnisse unterstreichen die Anpassungsfähigkeit der Vögel: Während des Lockdowns sangen die Dachsammer im urbanen Raum tatsächlich wieder leiser, waren aber dennoch besser hörbar. Ihre Gesänge umfassten ein deutlich breiteres Spektrum von tiefen und hohen Tönen als in den fünf Jahre alten Aufnahmen. Dadurch waren sie auch auffälliger.

Manche Aufnahmen erinnerten damit nicht nur subjektiv an den Klang anderer Zeiten. Wie die Autorinnen und Autoren schreiben, erreichten einige Vogelstimmen so tiefe Frequenzen, wie sie zuletzt in den frühen 1970ern aufgezeichnet worden waren. Wie schnell die Tiere trotz jahrzehntelanger Lärmbelastung reagieren, sei jedenfalls eine gute Nachricht.