Filmausschnitt aus dem Film „Das Fieber“, eine Frau steht auf einem Feld
Jana Fitzner, pooldoks
Jana Fitzner, pooldoks
Dokumentation

Malaria wütet im Schatten von Covid-19

Jedes Jahr sterben bis zu 500.000 Menschen an Malaria. Heuer könnte sich die Zahl sogar verdoppeln – eine Folge der Coronavirus-Pandemie. Ein neuer Dokumentarfilm geht der Krankheit in Afrika nach und spart nicht mit Kritik an der westlichen Medizin – ob traditionelle afrikanische Heilmittel das Problem lösen könnten, ist aber umstritten.

Ihr Sohn wäre jetzt 18 Jahre alt, erzählt eine Mutter aus Uganda am Beginn von Katharina Weingartners Dokumentation „Das Fieber“. Als kleines Kind hatte er sich mit Malaria infiziert. Nach drei Tagen mit hohem Fieber und nach einigen Arztbesuchen starb er im Spital.

Der Malariaerreger, der einzellige Parasit Plasmodium, wird von Stechmücken übertragen. Hauptverbreitungsgebiet der Malaria ist der afrikanische Kontinent südlich der Sahara. Über 90 Prozent der Todesfälle werden dort verzeichnet, zwei Drittel sind Kinder, die jünger als fünf Jahre sind.

Medikamente vielfach unleistbar

Weingartner hat jahrelang für ihren Film recherchiert und sich letztlich dazu entschlossen, ausschließlich Betroffene zu Wort kommen zu lassen: Menschen aus Uganda und Kenia, Mütter, Forschende, eine Kräuterexpertin. „Der Tod kleiner Kinder begleitet alle Familien in Uganda und das ständig“, so Weingartner. Das Ausmaß des Leids sei schockierend gewesen.

Weingartner berichtet von Spitälern, in denen die notwendigen Medikamente nicht vorhanden sind, in denen veraltete Therapien verabreicht werden oder den Menschen gesagt wird, sie sollten die notwendigen Medikamente selbst in der Apotheke kaufen. „Auch wenn die nur einen Dollar kosten, für die Menschen in Uganda ist das vielfach nicht bezahlbar“, so Weingartner.

Eigentlich gut behandelbar

Dabei handle es sich bei Malaria eigentlich um eine gut behandelbare Erkrankung, erläutert der Tropenmediziner Peter Kremsner. „Wir können die Malaria schnell diagnostizieren, haben die entsprechenden Medikamente zur Verfügung und können die Infizierten oft nach zwei Tagen wieder entlassen“, so Kremsner, der an der Universität Tübingen das Institut für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie leitet sowie ein Forschungszentrum im zentralafrikanischen Gabun, in Lambarene.

„Wir verabreichen fast immer Malaria-Kombinationspräparate, bestehend aus einem Artemisininpräparat und einem weiteren Wirkstoff“, sagt der Tropenmediziner. Doch die Therapie komme in vielen afrikanischen Ländern südlich der Sahara nicht bei den Menschen an, räumt Kremsner ein. In Gabun sind diese Medikamente kostenlos, in vielen anderen Ländern allerdings unleistbar für die Bevölkerung.

Zwei Kinder sterben pro Minute

Die Coronaviruspandemie dürfte die Situation in Uganda und seinen Nachbarländern abermals verschlechtern: Aufklärungskampagnen zur Malaria wurden verschoben. Medikamente und wichtige Moskitonetze konnten monatelang nicht importiert werden. Wegen des Lockdowns verließen viele Familien nicht ihre Häuser, um Ärzte oder Spitäler aufzusuchen. „In Uganda stirbt normalerweise jede Minute ein Kind an Malaria, derzeit sind es zwei Kinder pro Minute“, so Weingartner.

Die Regisseurin sucht in „Das Fieber“ nach Möglichkeiten, dieses Sterben aufzuhalten, und zwar an Ort und Stelle. Nachdem die Artemisininpräparate großer Pharmakonzerne die Menschen oft nicht erreichen, spürt sie der Möglichkeit einer günstigeren Behandlung bzw. Prävention nach: dem Ursprung des Wirkstoffs Artemisinin, der Pflanze Artemisia annua, der einjährige Beifuß. In Form von Tee könnte die Pflanze nicht nur Malaria heilen, sondern auch davor schützen, so die Botschaft des Films.

Jemand pflanzt eine Pflanze der Art Artemisia annua in den Boden
pooldoks
Artemisia annua

Debatte um günstige Alternativen

Hier bewegen sich die Einschätzungen der Filmemacherin und des Tropenmediziners auseinander: Kremsner erkennt zwar an, dass man sich mit einem Artemisia-Tee heilen könne. „Man kann sich damit aber genauso vergiften oder zu wenig Wirkstoff aufnehmen“, meint der Mediziner. Die Konzentration der Inhaltsstoffe einer Pflanze könne man nicht grob abschätzen, man müsse sie extrahieren, reinigen und abwiegen.

Weingartner ist davon überzeugt, dass solche Tees, die lange Zeit als „bitter soup“ während der Regenzeit verabreicht wurden, eine leistbare Alternative zu den Medikamenten des globalen Nordens wären. In der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die solche Kräutertees wegen schlechter Dosierbarkeit ablehnt, sieht sie die Überheblichkeit europäischer Forschung und Medizin.

Umverteilung als größtes Problem

Einig sind sich Weingartner und Kremsner bei der Frage der Umverteilung: Die Menschen, die in den Ländern südlich der Sahara leben, arbeiten und forschen, müssten endlich gehört werden. „Ich habe wahrscheinlich 150 Malaria-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler auf der ganzen Welt für diesen Film interviewt“, erzählt Weingartner. Trotz der intensiven Recherche habe sie im Film dann aber nur einen Biologen, einen Pharmakologen und eine Kräuterheilerin aus Uganda zu Wort kommen lassen.

Forschungsgelder sollten vermehrt an Universitäten und Spitäler der betroffenen Nationen fließen, sind beide überzeugt. Und Weingartner hofft, dass ein Teil dieser Förderungen in die Gesundheitssysteme selbst investiert werde. Die Coronavirus-Pandemie wirft auch hier einen Schatten: Weil die Erforschung des Sars-Coronavirus-2 derzeit sehr viele Ressourcen bündelt, wird es für Malariaprojekte schwer, die notwendigen Gelder zu lukrieren.