Vorlesung in Hörsaal der WU Wien
APA/ROLAND SCHLAGER
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Digitale Lehre

Offene Fragen vor Unibeginn

Im vergangenen Semester haben die Unis von einem Tag auf den anderen auf Onlinevorlesungen umgestellt. Darauf sind sie jetzt zu Vorlesungsbeginn vorbereitet. Im Forschungsbetrieb sind aber noch einige Fragen offen – denn die digitale Lehre bleibt für Mitarbeiter und Studenten durchaus problematisch.

Eine Situation wie jene an der schottischen Universität Glasgow will man an den österreichischen Unis zum Semesterbeginn unbedingt vermeiden. Dort hörte man vergangene Woche von mehr als 120 bestätigten Coronavirus-Infektionen und mehr als 600 Studierende in Isolation.

In Österreich gilt deswegen in Universitätsgebäuden, auch im Hörsaal, eine Mund-Nasen-Schutz-Pflicht für Studierende, es gibt Abstands- und Hygieneregeln und die Unis werden auch im Wintersemester den Schwerpunkt auf Online-Lehre legen. Zumindest einige Lehrveranstaltungen sollen dennoch im Hörsaal stattfinden können, mit kleineren Gruppen im Wechsel.

Uniluft durch Maske schnuppern

Gerade die Erstsemestrigen sollen mit diesem Mischkonzept die Möglichkeit bekommen, Universitätsluft zu schnuppern, sagt Sabine Seidler, Rektorin der Technischen Universität Wien und Präsidentin der Universitätenkonferenz (UNIKO). Über diese hybriden Lehrformate wollen man die Studienanfängerinnen und -anfänger zumindest ab und zu an die Universitäten bringen können. „Und im Bereich der Forschung ist es so, dass wir den Betrieb aufrechterhalten, indem wir beispielsweise in den Labors Abstands- und Hygieneregeln umsetzen“, so Seidler. An der Technischen Universität selbst sollen die Hörsäle je nach Höhe der Infektionszahlen zwischen 40 bzw. 25 Prozent besetzt sein.

An der Uni Wien, Österreichs größter Hochschule mit rund 90.000 Studierenden, gilt Maskenpflicht auch in den Lehrveranstaltungen. Die großen Hörsäle wie das Audimax sollen nur zu einem Drittel gefüllt werden, die Vorlesungen parallel auch im Internet gestreamt werden. Die Uni Wien sei gut vorbereitet, jeder Lehrveranstaltungsleiter könne in kurzer Zeit auf „digital umstellen“, wie Rektor Heinz Engl am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal meinte. Vor allem für Erstsemestrige sei es aber wichtig, das „Uni-Feeling“ kennenzulernen – also die direkte Zusammenarbeit mit anderen. „Das geht zum Teil nur durch Präsenz und Lerngruppen. Solange das möglich ist, werden wir dafür sorgen“, so Engl.

Dass die Universitäten vom sozialen Austausch leben, betont Julia Staudegger von der ÖH der Universität Innsbruck. Die Studienvertretung hofft darauf, dass die Universitäten in diesem Semester nicht mehr gänzlich geschlossen werden müssen. Viele Studierende seien auf Lernplätze an den Unis angewiesen, wie Bibliotheken, um konzentriert arbeiten zu können. Gleichzeitig sei man um die Sicherheit aller bemüht. Deswegen könnten auch die Studienvertretungen ihre Beratungsangebote jederzeit auf Online-Kurse umstellen, so Staudegger. „Es gibt mittlerweile auch eine Online-Veranstaltung, die in das Studieren einführt, wo sich die Erstsemestrigen online Erklärvideos und Infovorträge anschauen können, um einen leichteren Einstieg zu haben“, sagt Staudegger.

Forschung verzögert sich

Lehrveranstaltungen zumindest teilweise an der Uni abzuhalten, wünscht sich auch der Mittelbau, also die Vertretung der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In der Lehre könne man jederzeit auf Online-Betrieb umstellen, sagt Hannes Schweiger, Mittelbausprecher am Institut für Germanistik der Universität Wien. In der Forschung sei das allerdings nicht möglich. „Wenn wir nicht in die Bibliothek können, nicht in unsere Büros können, die notwendigen Geräte nicht nutzen können, ist das für die Forschung extrem hinderlich“, so Schweiger.

Keinen Zugang zu notwendigen Infrastrukturen zu haben, sei für alle Forschenden problematisch. Für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit befristeten Verträgen und Leistungsvereinbarungen ergeben sich jedoch die größten Schwierigkeiten, betont Schweiger. „Diese Qualifizierungsphasen sind ohnehin sehr herausfordernd, und jetzt ist hier der Druck auch nochmal stärker, rechtzeitig das Doktoratsstudium zu beenden, Leistungsvorgaben zu erfüllen oder Forschungsanträge für Folgeprojekte zu stellen“, so der Mittelbauvertreter.

Mehr Zeit für wissenschaftliche Arbeit

Unter bestimmten Voraussetzungen können befristete Verträge derzeit um ein Jahr verlängert werden. Das solle aber nicht automatisch für alle Betroffenen gelten, sagt Uniko-Päsidentin Seidler. „Jemand, der gerade im Endspurt ist und unbedingt Ergebnisse braucht, um zu einem bestimmten Termin seine Arbeit abzuschließen, steht einfach mehr unter Druck als jemand, der beispielsweise gerade erst mit dem Doktorat begonnen hat“, so Seidler.

Der Mittelbau wünscht sich hier kulantere Regelungen für alle. Coronabedingte Verzögerungen am Beginn des Doktorrats könnten ebenfalls zu Problemen beim Abschluss führen. Gleiches gilt für geschlossene Bibliotheken oder andere Infrastrukturen. Auch eine Entlastung bei den Lehraufträgen wäre wichtig, meint Mittelbauvertreter Schweiger. Auch wenn es Unterstützung seitens der Unis gebe, sei die Online-Lehre noch einmal aufwändiger als der klassische Unterricht. Das habe das vergangene Semester gezeigt, meint Schweiger. Zeit, die vielen bei der Forschung fehle.