Junger Mann mit Atemmaske
YURI KADOBNOV / AFP
YURI KADOBNOV / AFP
Umfrage

Wie stark das Coronavirus polarisiert

Das Coronavirus polarisiert die Gesellschaft: Laut einer Online-Umfrage glaubt im deutschsprachigen Raum nur die Hälfte an den wissenschaftlichen Konsens, wonach das Virus von Tieren auf Menschen übertragen wurde. Ein Drittel denkt, dass es absichtlich in einem Labor hergestellt worden wäre. Ähnlich unterschiedlich werden die Maßnahmen gegen das Virus bewertet.

Wie ist das Virus tatsächlich entstanden oder für wie sinnvoll werden Maßnahmen wie Maskentragen, Kontakte Nachverfolgen oder verpflichtete Impfungen gehalten? Eine aktuelle Umfrage von Sozialwissenschaftlerinnen und Informatikern zeigt, wie stark sich die Geister scheiden. Insgesamt wurden 2.500 Internetnutzerinnen und Nutzer in Deutschland, der Schweiz und Österreich im Alter zwischen 18 und 69 Jahren online befragt. Demnach folgt gut die Hälfte der Wissenschaft und denkt, das Virus wurde von Tieren auf den Menschen übertragen (54 Prozent). Knapp ein Drittel (28 Prozent) hingegen denkt, das Virus stammt aus dem Labor. Der Rest (16 Prozent) ist sich nicht sicher. Ein paar wenige (zwei Prozent) bezweifeln sogar die Existenz des Virus.

„Es hat sich in unseren Daten gezeigt, dass tendenziell Frauen und Personen mit einem niedrigeren Bildungsabschluss häufiger an die bewusste Entwicklung des Virus glauben“, erläutert die Soziologin Beate Klösch von der Universität Graz. Auch Facebook-Nutzerinnen und Nutzer denken tendenziell häufiger, das Virus sei bewusst entwickelt worden, während Twitter-UserInnen eher an einen natürlichen Ursprung glauben.

Deutsche mit Maßnahmen eher einverstanden

Ein ähnlich diverses Bild zeigt sich bei der Frage, welche Maßnahmen befürwortet werden und welche nicht. So fanden Maßnahmen wie die Impfpflicht, Maskenpflicht und Contact-Tracing ähnlich viele Befürworter wie Gegner. „Hier hat sich im Ländervergleich gezeigt, dass Personen aus Deutschland die höchste Befürwortung für alle drei Maßnahmen aufweisen und dass sie vor allem der Impfpflicht am häufigsten zustimmen.“

Befragte aus Österreich stehen den Maßnahmen wiederum tendenziell ablehnender gegenüber. Abgesehen davon gab es auch hier Unterschiede zwischen Twitter und Facebook: Während Nutzerinnen und Nutzer von Facebook eine Impfpflicht und das Tragen von Schutzmasken häufiger ablehnen als Personen, die diesen Kanal nicht verwenden, befürworten Twitter-Userinnen und User Contact Tracing und eine Schutzmaskenpflicht öfter als die übrigen Befragten, heißt es in dem Abschlussbericht.

Bei der Frage, ob die Teilnehmer Angst vor dem Virus hätten oder sich um die Folgen der Pandemie sorgen machten, äußersten nur wenige entweder starke Angst oder gaben an, gar nicht an das Virus und mögliche Konsequenzen zu denken. „Der Großteil ist eher mittelmäßig besorgt. Grundsätzlich zeigt sich da eine schöne Normalverteilung.“ Wobei auch hier die Befragten aus Österreich weniger besorgt sind und sich weniger vor einer Erkrankung fürchten als Befragte in Deutschland und der Schweiz.

Keine klassische Polarisierung

Insgesamt zeigt sich: Die Meinungen gehen teilweise zwar stark auseinander. Eine klassische Polarisierung, wo sich zwei Extremansichten gegenüberstehen und es kaum Graustufen dazwischen gibt, sieht Klösch aber nicht. „Ich schätze, dass das auch darauf zurückzuführen ist, dass in der Gesellschaft eine große Unsicherheit herrscht, was denn jetzt überhaupt richtig ist bzw. was denn nützt. Nicht zuletzt, weil es eben diese klare eindeutige Lösung noch nicht gibt.“

Die Unterschiede hinsichtlich Twitter und Facebook erklärt sich die Soziologin wiederum damit, dass Facebook als Plattform eher den Austausch von alternativen Meinungen ermöglicht. „Im Vergleich dazu ist Twitter ja eher eine reine Informationsplattform.“ Zu diesem Ergebnis kam auch der kürzlich erschienene Sektenbericht.

Weniger divers waren die Antworten auf Fragen zum Klimawandel. Hier waren sich die Befragten eher einig, dass die Klimakrise ein großes Problem ist, das maßgeblich durch den Menschen verursacht wurde. 46 Prozent der Befragten sind hier auch bereit, Abstriche bei ihrem Lebensstil zu machen, um die Umwelt zu schützen. Die Unterschiede bei den Themen Coronavirus und Klimawandel führt Klösch unter anderem auf einen breiteren Konsens in der Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zurück.