Eine leere Autobahn dazu ein Schild, auf dem steht „Bitte 2 Wochen zu Hause bleiben“
AFP – CHRISTOF STACHE
AFP – CHRISTOF STACHE

Warnung vor neuerlichen Lockdowns

Die Zahlen positiver Coronavirus-Tests steigen in vielen Ländern Europas, die Maßnahmen dagegen werden wieder drastischer. Vor den gesundheitlichen Gefahren neuerlicher Lockdowns warnt nun eine wachsende Zahl an Forschern und Forscherinnen.

Lockdown-Maßnahmen würden die öffentliche Gesundheit kurz und langfristig „verheerend beeinflussen“. Sie würden u. a. die Impfrate von Kindern verringern, Herz-Kreislauf-Krankheiten verschlimmern, zu weniger Krebsvorsorge-Untersuchungen führen und die psychische Gesundheit beeinträchtigen, warnen die Forscherinnen und Forscher. Das würde in den nächsten Jahren zu mehr Todesfällen führen, betroffen davon seien vor allem sozioökonomisch benachteiligte Schichten und jüngere Menschen.

“Besonderer Schutz von Gefährdeten“

Statt Lockdowns empfehlen die Forscherinnen und Forscher einen verstärkten Schutz von Menschen, die besonders vom Coronavirus bedroht sind, in erster Linie ältere Personen und anders gefährdete. Der Großteil der Menschen hingegen solle ein normales Leben führen, um dem Ziel der Herdenimmunität näher zu kommen. Das ist die Kurzfassung einer Bewegung, die sich vor ein paar Tagen unter dem Titel „Great Barrington Declaration“ gebildet hat. Verfasst wurde die Deklaration von der Epidemiologin Sunetra Gupta, dem Biostatistiker Martin Kulldorff und dem Gesundheitsökonomen Jay Bhattacharya, die an britischen bzw. US-Unis arbeiten.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 9.10., 13:55 Uhr.

Laut BBC hätten sich ihren Ansichten weltweit bereits über 6.000 Experten und Expertinnen angeschlossen. Genau zu überprüfen ist das freilich nicht, denn auf der Website der Bewegung kann jeder und jede behaupten, wissenschaftlich tätig zu sein. Stimmen die Eigenangaben der Seite, haben mittlerweile (Stand 8.10.) insgesamt über 120.000 Menschen unterschrieben, knapp 400 auch aus Österreich.

Heftige Kritik

Die Kritik an den Zielen der Deklaration ist mittlerweile ebenfalls groß. So werden etwa konkrete Ideen vermisst, wie der eingeforderte „besondere Schutz“ der älteren Bevölkerung besser als bisher gewährleistet werden soll – und vor den Folgen einer epidemiologischen „Zweiklassen-Gesellschaft“ gewarnt.

Auch würden der Barrington-Deklaration Überlegungen dazu fehlen, wie viele Menschen bei einer „Herdenschutz-Strategie“ schwer an Covid-19 erkranken, aber nicht sterben würden. Die Langzeitfolgen schwerer Krankheitsverläufe, von denen oft Jüngere betroffen sind, seien zudem bisher alles andere als genau untersucht, und die Frage, wie lange eine Immunität überhaupt besteht, noch ungeklärt.