Historische Karikatur von James Gillray zu Impfgegnern
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Geschichte

Impfgegner vor 200 Jahren

Die ganze Welt wartet auf Impfstoffe gegen das Coronavirus – bis auf die Impfgegnerinnen und -gegner. Ihre Skepsis hat eine lange Tradition. Im Jahr 1800 etwa fand in Wien die erste großangelegte Impfaktion statt, die Pocken hatten die Stadt fest im Griff. Und schon damals formierten sich die Impfgegner.

Über 3.000 Menschen waren um 1800 an den lebensgefährlichen Pocken erkrankt, darunter besonders viele Kinder. Kaiserin Maria Theresia hatte drei ihrer Kinder an den Pocken verloren, auch sie selbst war 1767 daran erkrankt gewesen.

Ende des 18. Jahrhunderts hatte der englische Arzt Edward Jenner die Kuhpockenimpfung erfunden. Denn Kühe bekamen eine Form von Pocken, die für den Menschen ungefährlich war. Erkrankten Menschen an Kuhpocken, waren sie immun gegen die schwere Form der sogenannten „Menschenpocken“. Am 10. Dezember 1800 impfte man zum ersten Mal massenweise Wienerinnen und Wiener mit dieser neuen Methode, erklärt die Medizinhistorikerin Daniela Angetter von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. „Die Impfung war sehr erfolgreich, denn Wien blieb immerhin vier Jahre lang von der Pockenkrankheit verschont. Auch in den darauffolgenden Jahren sind maximal fünf Kinder an Pocken verstorben, davor jährlich bis zu 500.“

Die Hautritz-Methode

Eine der ersten, die diese Kuhpockenimpfung in Österreich ausprobierten, war Kaiserin Maria Theresia. Sie holte den holländischen Arzt Jan Ingen-Housz nach Wien, um ihre Kinder mit der neuen Hautritz-Methode geimpft wurden: Man ritzte dazu die Haut ein und infizierte die Menschen mit dem Kuhpocken-Serum. Der Name Vakzination leitet sich demnach von dem lateinischen Wort „vacca“ für Kuh ab.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 12.10., 13:55 Uhr.

Maria Theresia ließ in Wien am Rennweg ein Impfzentrum errichten, zu dem die Bevölkerung kommen und sich gratis mit dieser Hautritz-Methode inokulieren lassen konnte. Doch nicht alle waren vom Impfen so begeistert wie sie.

Impfgegner formieren sich

Von Beginn an kursierten auch Horrormeldungen über das Impfen, in die Welt gesetzt von Impfgegnern. Der Philosoph Immanuel Kant etwa behauptete, der Impfstoff übertrage tierische Charakterzüge auf den Menschen. Auch die Religion lieferte Argumente gegen das Impfen: Ein solcher Eingriff in den Menschen verstoße gegen die göttliche Ordnung, hieß es damals. Ab 1876 gab es eine regelmäßig erscheinende Zeitschrift der Impfgegner, 1901 wurde der Verein impfgegnerischer Ärzte gegründet.

Staatliche Maßnahmen

Auf der anderen Seite versuchte der Staat mit verschiedenen Mitteln, die Bevölkerung zum Impfen oder auch zu Impf-Auffrischungen zu motivieren. Für Militärangehörige, Häftlinge, Schul- und Waisenkinder gab es eine Pflicht, sich impfen zu lassen Hebammen sollten Schwangere aufklären und zum Impfen ermutigen. Zudem hat man den Eltern bei der Taufe Briefe mitgegeben, um sie aufzuklären, wie wichtig das Impfen ist. Bei Nichteinhaltung der Impfpflicht, etwa für Schulkinder, drohten Geldstrafen. Besonders impffreudige Ärzte wiederum bekamen eine finanzielle Belohnung. Wer die meisten Menschen geimpft hatte, bekam 200 Gulden und die Namen der Ärzte wurden in der „Wiener Zeitung“ veröffentlicht, erzählt Daniela Angetter.

Die Pocken kursierten dennoch weiter in der Bevölkerung, in Österreich und weltweit. Daniela Angetter macht dafür eine Impfmüdigkeit verantwortlich, die in der Bevölkerung kursierte, sobald die Krankheit etwas zurückging. Erst im Jahr 1980 bestätigte die Weltgesundheitsorganisation WHO, dass das Pockenvirus als bisher einzige Krankheit weltweit durch eine Impfung ausgerottet wurde.