Illustration des Coronavirus
CDC – Alissa Eckert, Dan Higgins
CDC – Alissa Eckert, Dan Higgins

Etwa 500 Coronaviren führen zu Infektion

Ein an Covid-19 Erkrankter hat im Schnitt 500 Coronaviren abbekommen, berichtet Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) in Wien. Nur diese relativ hohe Zahl an Viren könne die Krankheit auslösen.

Vermutlich sind einfache Maßnahmen wie Maskentragen und Abstandhalten deshalb so erfolgreich, die Ausbreitung der Pandemie einzudämmen: Sie verringern die Zahl der Viren, denen man ausgesetzt ist, sagte er gestern Nachmittag bei einem Vortrag.

Um herauszufinden, wie viele Viren bei einer Infektion von Mensch zu Mensch übertragen werden, hat Bergthaler mit Kollegen das Erbgut der Viren bei Überträgern (Infektoren) und den von ihnen angesteckten Personen (Infizierten) untersucht. Diese Paare wurden mittels Nachverfolgung der Kontaktpersonen ermittelt.

Hohe Zahl im Vergleich zu anderen Viruserkrankungen

Wenn der Infizierte nur wenige Virusvarianten des Infektors trägt und trotzdem krank ist, heißt das, dass es schon gefährlich ist, wenn man mit wenigen Viren in Kontakt kommt. Wenn viele Virusvarianten vom Infektor beim Infizierten zu finden sind, sind viele Viren nötig, um die Krankheit auszulösen, so der Forscher von dem zur der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gehörenden CeMM bei einem Onlinevotrag des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF), der auch die Studie finanziert hat. Aktuell befindet sich die Studie dazu in wissenschaftlicher Begutachtung, ist aber bereits öffentlich einsehbar.

Die Wissenschaftler berechneten, dass im Durchschnitt gut 500 Viren pro Infektion übertragen wurden. Auf der ganzen Welt gab es bisher keine Daten dazu, wie viele Viren nötig sind, um eine Covid-19-Erkrankung auszulösen, so Bergthaler. Im Vergleich zu anderen Viruserkrankungen wäre diese Zahl recht hoch.

Schwere der Erkrankung von Anzahl abhängig?

„Bei HIV geht man davon aus, dass ein einzelnes Virus reicht, um eine Neuinfektion zu starten“, sagte er (HIV ist dennoch schwer übertragbar, da eine Ansteckung über Körperflüssigkeiten geschieht, und die Viruslast erhöht die Wahrscheinlichkeit, Anm.). Bei Influenza A (das ist der einzige Grippevirentyp, der sich weltweit ausbreiten kann) gibt es unterschiedliche Zahlen in wissenschaftlichen Studien. Manche Forscher sprechen von einem einzelnen Grippevirus, manche von zehn bis hundert Viren, die eine Infektion auslösen können.

Ob und wie stark jemand an Covid-19 erkrankt, könnte laut diesem Forschungsergebnis eine „reine Zahlengeschichte“ sein, meint der Wiener Wissenschaftler. Wenn man wenige Viren abbekommt, wäre der Krankheitsverlauf schwächer, oder man wird vielleicht gar nicht krank.

Es würde auch den Nutzen von einfachen physischen Maßnahmen wie Mund-Nasen-Schutzmasken und dem Abstandhalten erklären, sagte Bergthaler: Selbst wenn sie nicht verhindern, dass man mit SARS-CoV-2 in Kontakt kommt, könnten sie die Zahl der Viren stark reduzieren, denen jemand ausgesetzt ist. Damit würden sie die Ausbreitung der Pandemie und die Infektionswellen stark abschwächen.

Nachverfolgung von Clustern

Die genetischen Spurenanalyse lässt aber nicht nur abschätzen, wie viele Viren es für eine Infektion braucht. Vielmehr lässt sich auch besser verstehen, wie Cluster entstehen und wie sich das Virus darin verbreitet.

So konnten die Forscher in einer Studie zeigen, dass der erste Corona-Fall in Wien im Februar und März zu rund 70 weiteren Infektionen rund um Wien geführt hat. Dabei wurde sichtbar, dass sich die Infektionsketten in einem Sars-CoV-2-Cluster ähnlich einem Familienstammbaum verästeln. Ein Mensch steckt also ein paar andere an und diese verbreiten das Virus teilweise weiter – im Büro, in der Familie oder im Fitnessstudio usw.

Die genetischen Virusanalysen können auch die Arbeit der Epidemiologen und Behörden unterstützen. Deren Aufgabe ist es, möglichst schnell herauszufinden, wer mit den Betroffenen eines Clusters Kontakt hatte, um zu verhindern, dass sich die Äste weiter verzweigen. „Wir konnten z.B. zeigen, dass es bei zwei scheinbar getrennten Clustern genetisch Verknüpfungen gab. Daraufhin haben die Contact-Tracer weitere Interviews geführt, wodurch sich tatsächlich Verbindungen zwischen diesen Clustern bestätigten.“