Schimpanse Judumi am National Center for Chimpanzee Care in Texas
University of Warwick
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Sprachbegabung

Auch Affen verstehen Grammatik

Der Ursprung der menschlichen Sprache ist bis heute ein ungelöstes Rätsel. Manche Voraussetzungen könnten aber schon sehr alt sein. Experimente legen nahe, dass unsere tierischen Vorfahren bereits ein gewisses Verständnis für grammatikalische Strukturen besaßen.

Die menschliche Sprache ist vor allem deswegen so ausdrucksstark, weil sie eine übersichtliche Anzahl an Elementen im Prinzip unendlich miteinander kombinieren kann; das gilt für Buchstaben genauso wie für Wörter. Organisiert wird die komplexe Struktur unter anderem durch die jeweilige Grammatik – sie bestimmt, wie kombiniert werden darf und was die Kombination der Bausteine letztlich bedeutet.

Zusammenhängende Wörter und Sätze müssen dabei nicht notwendigerweise nebeneinanderstehen, oft sind die abhängigen Elemente räumlich voneinander entfernt, z.B. bei eingeschobenen Relativsätzen. Bei „Der Hund, der den Knochen nahm, lief weg.“ sind Subjekt und Verb des Hauptsatzes durch den Einschub getrennt. Durch rekursive Einbettungen können die Abstände zwischen zusammengehörenden Elementen recht groß werden.

Die Schimpansen Tina und Martin am National Center for Chimpanzee Care in Texas
University of Warwick
Die Schimpansen Tina und Martin am National Center for Chimpanzee Care in Texas

Das Erkennen und Verstehen von solchen Abhängigkeiten ist also eine Grundvoraussetzung für sprachliche Kommunikation. Lange ging man davon aus, dass nur der Mensch über die entsprechende Sprachbegabung verfügt. Mittlerweile häufen sich Hinweise, dass unsere Spezies in dieser Hinsicht vielleicht nicht ganz so einzigartig ist. So verfügen etwa manche Vögel über ein bestimmtes grammatikalisches Verständnis. Und auch die Kommunikation unserer nächsten tierischen Verwandten könnte sprachartiger sein als vielfach angenommen.

Evolutionäre Voraussetzungen

Wie die nun in „Science Advances“ veröffentlichte Studie der Forscherinnen und Forscher um Stuart Watson von der Universität Zürich nahelegt, sind gewisse Anlagen für das Verständnis grammatikalischer Strukturen tatsächlich schon bei manchen Affenarten vorhanden. Für die Experimente mit Weißbüschelaffen, Schimpansen und Menschen hat das Team künstliche Grammatiken aus an sich bedeutungslosen Tönen entwickelt.

Menschliche wie tierische Probanden lernten zuerst die Regeln, also die „korrekten“ Kombinationen. Dabei mussten beispielsweise zwei Sounds immer in einer bestimmten Reihenfolge auftauchen, manchmal getrennt von irgendwelchen anderen Zwischentönen – auf diese Weise wurden auch entfernte Abhängigkeiten eingebaut. Danach wurde getestet, ob die Versuchstiere bzw. die Menschen auf eine Verletzung dieser Regeln reagierten. Laut den Studienautorinnen und -autoren gab es zwar Unterschiede zwischen den einzelnen Individuen, aber der Großteil hatte in allen drei Gruppen die Grammatik erlernt, also die Abhängigkeiten zwischen Tönen erkannt – selbst wenn diese akustisch voneinander getrennt waren.

Möglicherweise sind die Grundlagen für ein grammatikalisches Verständnis also schon vor ungefähr 40 Millionen Jahren gelegt worden, schreiben die Forscher. Ob die Affen diese Fähigkeiten heute auch tatsächlich kommunikativ nutzen, sei jedoch unklar. Die Tiere kombinieren zwar mitunter ihre Rufe, aber bis jetzt konnten nur sehr simple Kombinationen beobachtet werden.