Vampirfledermaus im Flug
Sherri ad Brock Fenton
Sherri ad Brock Fenton
Verhalten

Social Distancing: Auch Fledermäuse halten Abstand

Abstand halten, um Infektionen zu vermeiden – was in der Corona-Pandemie empfohlen wird, praktizieren Fledermäuse schon seit jeher: Laut einer Studie schränken Vampirfledermäuse ihre Sozialkontakte ein, wenn sie erkranken.

„Dadurch, dass kranke Tiere weniger Kontakt zu gesunden Artgenossen haben, kann sich ein Erreger langsamer verbreiten“, sagt der Biologe und Sudienautor Simon Ripperger vom Naturkundemuseum Berlin. „Wir vermuten, dass das Abstandhalten eine natürliche Reaktion ist, denn die kranken Fledermäuse waren lethargisch und schliefen mehr.“

Hochsoziale Tiere

Normalerweise seien Vampirfledermäuse hochsoziale Tiere. „Sie betreiben gegenseitige Fellpflege und teilen Nahrung“, sagt der Forscher. Im Fall einer Krankheit seien solche Interaktionen deutlich seltener zu beobachten.

Das Verhalten sei zuvor bereits bei Fledermäusen in Gefangenschaft beobachtet worden, so Ripperger. Die Wissenschaftler aus Deutschland und den USA haben es nun auch in einem Freilandexperiment in Belize nachgewiesen. Sie fingen 31 Weibchen aus einer Gruppe und verabreichten der Hälfte der Tiere eine Substanz, die für sechs bis zwölf Stunden eine bakterielle Infektion simuliert.

Vampirfledermäuse hängen dicht gedrängt von der Decke
Josh More

Die Tiere wurden mit neuartigen Näherungssensoren ausgestattet und in die Wildnis entlassen. „Die Sensoren erfassen sekundengenau, wer sich in wessen Nähe befindet. Außerdem lässt sich messen, wie nah sich die Tiere kommen“, erklärte der Biologe.

Verhaltensforschung 2.0

„Diese Hightech-Sensoren aus Eigenbau eröffnen uns völlig neue Perspektiven auf das höchst dynamische Sozialverhalten dieser Fledermäuse. Derartige Experimente in freier Wildbahn durchzuführen und zeitgleich Veränderungen im sozialen Netzwerk einer ganzen Kolonie im Sekundentakt beobachten zu können, war bisher undenkbar“, so der Wissenschaftler.

Die Studie mit 31 Tieren lasse allerdings keine generellen Aussagen über den Ausbreitungsmechanismus von Krankheitserregern bei Vampirfledermäusen zu, sagt Ripperger. Das Wichtige sei vielmehr, dass man mit der Technologie wertvollere Daten sammeln könne als über bloßes Beobachten – das in freier Wildbahn ohnehin schwer sei.

Mit dem Verfahren könne die Ausbreitung von Pathogenen auch bei anderen Organismen simuliert werden. „Für die Forschung ist diese Technik sehr wertvoll“, so Ripperger. Die gewonnenen Datensätze könnten in Zukunft helfen, neue Erkenntnisse über Muster und Prozesse zu gewinnen, die der Verbreitung von Krankheitserregern zugrunde liegen. Die Studienergebnisse wurden im Journal „Behavioral Ecology“ veröffentlicht.