Verkohlte Baumstümpfe: Durch Brandrodung zerstörter Wald
noon@photo – stock.adobe.com
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Ökoschäden

Die versteckten Kosten der Globalisierung

Der globale Handel macht Waren billiger – aber er beschleunigt auch den Raubbau an der Natur. Der Umweltökonom Oliver Taherzadeh fordert eine Reform: Wirtschaft, so der Forscher von der Cambridge University, müsse endlich auch die Natur in ihre Bilanzen aufnehmen. Und das Wohlergehen der Menschen.

science.ORF.at: Herr Taherzadeh, Sie haben kürzlich eine Globalisierungsbilanz für 189 Länder erstellt: Was war das Ergebnis?

Oliver Taherzadeh: Das Ergebnis war, dass die natürlichen Ressourcen in einem Großteil dieser Länder gefährdet sind. In Indien ist etwa das Grundwasser in Gefahr, in Thailand die Energieversorgung. Die USA sind wiederum sehr stark von Düngemitteln abhängig. Und es gibt offenbar einen Zusammenhang zwischen diesem Risiko und der Einbettung in den internationalen Handel. Die Globalisierung nagt also an der Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen. Um das zu verhindern, muss man die Globalisierung nicht gleich abschaffen, aber es braucht eine Reform. Wir müssen uns die Versorgungsketten genauer ansehen und die besonders gefährdeten Länder finanziell und technologisch unterstützen. Und wir müssen den Ressourcenverbrauch senken. Vor allem in Wirtschaftszweigen, wo der Verbrauch ohnehin schon sehr hoch ist, etwa im Baugewerbe oder bei der Haltung von Nutzvieh.

Umweltökonom Oliver Taherzadeh von der Cambridge University
Oliver Taherzadeh

Zur Person

Oliver Taherzadeh forscht an der Cambridge University im Bereich Umweltökonomie. Seine Studie „Water, energy and land insecurity in global supply chains“ erschien kürzlich im Fachblatt „Global Environmental Change“.

Wie schneidet Österreich in der Bilanz ab?

Taherzadeh: Österreich ist stark von Importen aus Nicht-EU-Ländern abhängig. Der Verbrauch von Land und Wasser passiert zu mehr als drei Vierteln jenseits der Landesgrenzen, bei der Energie sind es etwa 50 Prozent.

Aus welchen Ländern stammen die Rohstoffe oder Güter?

Taherzadeh: Das von Österreich verbrauchte Öl stammt aus Kasachstan, Libyen und Nigeria, das Gas aus Norwegen und Russland. Phosphatdünger werden aus Marokko importiert, das Soja kommt aus Brasilien, Argentinien und den USA.

Was könnte man tun, um den Handel in umweltschonende Bahnen zu lenken?

Taherzadeh: Handelsbeziehungen werden vor allem vom Streben nach Kostenvorteilen geprägt. Das hat auch gute Seiten: Lebensmittel zum Beispiel waren – relativ zum Einkommen – noch nie so billig wie heute. Aber die wenigsten machen sich Gedanken darüber, woher diese billigen Waren kommen und welche Konsequenzen das für die produzierenden Länder hat. Die Situation ließe sich verbessern, wenn wir den Handel mit Ländern fördern würden, in denen nachhaltiger gewirtschaftet wird. Und natürlich könnte man einzelne Waren auch durch umweltfreundlichere ersetzen, bei der Ernährung ist das etwa offensichtlich. Wir brauchen mehr lokale Versorgungsketten und nicht zuletzt eine Debatte zur Frage: Wer profitiert von der Globalisierung, wer nicht – und was sind die tatsächlichen Kosten? Ich denke, in der Wirtschaft wird man sich langsam bewusst, dass die Verbilligung auch immer mit schweren Risiken einhergeht.

In österreichischen Supermärkten kann man zum Beispiel Weintrauben aus Südamerika kaufen – darauf zu verzichten wäre eigentlich kein großes Problem.

Taherzadeh: Woher ein Lebensmittel kommt, ist gar nicht so entscheidend. Wichtiger ist, was wir essen. Wenn wir uns zum Beispiel die Emissionen der Lebensmittelbranche ansehen: Der Großteil entsteht bei der Produktion, nicht durch den Transport. Es könnte zum Beispiel nachhaltiger sein, Tomaten aus Spanien nach Großbritannien zu importieren, als sie dort in beheizten Glashäusern wachsen zu lassen. Wenn wir die Risiken in Versorgungsketten gering halten wollen, ist es sicher klug, auf inländische Nahrungsmittelhersteller zu setzen. In Bezug auf Emissionen nicht unbedingt.

Den globalen Handel durch einen lokalen ersetzen: Bei Obst und Gemüse wäre das wohl möglich – aber bei seltenen Erden und anderen Rohstoffen für die Industrie könnte das schwierig werden.

Taherzadeh: Da gebe ich Ihnen recht. Andererseits: Als China im Jahr 2010 entschied, Japan nicht mehr mit seltenen Erden zu beliefern, hat sich die japanische Industrie relativ schnell angepasst. Honda und Toyota begannen zum Beispiel mit der Entwicklung von Hybridfahrzeugen, die entweder weniger oder gar keine seltenen Erden benötigen. Ich denke, Industrien sind agil und können sich ziemlich gut auf neue Bedingungen einstellen. Wenn es einen Rohstoff nicht mehr gibt, ersetzt man ihn eben. Oder man verzichtet vollständig darauf.

Wie könnte der Pfad zu einer nachhaltigen Weltwirtschaft aussehen? Ist das überhaupt ein realistisches Ziel?

Taherzadeh: Momentan verwenden wir ein sehr krudes Maß für wirtschaftlichen Erfolg, nämlich das Bruttoinlandsprodukt. Hätten Nachhaltigkeit, soziale Inklusion und das Wohlbefinden der Menschen Priorität, sähe unser Erfolgsmaß deutlich anders aus. Und ebenso die Maßnahmen der Politik. Ich denke, bei einem Übergang zu nachhaltigem Wirtschaften müssen wir auf beiden Seiten der Gleichung ansetzen, bei der Nachfrage ebenso wie beim Angebot. Wir können uns nicht nur auf Technologie und Effizienzsteigerungen verlassen – das scheint aber momentan der Ansatz zu sein, den Regierungen und Konzerne verfolgen. Das Konsumverhalten zu ändern bedeutet übrigens nicht, dass wir uns zurück ins Mittelalter begeben müssen. Eine kürzlich erschienene Studie zeigt zum Beispiel: Läge der Energieverbrauch auf dem Niveau der 60er Jahre, wäre für die gesamte Weltbevölkerung ein ansehnlicher Lebensstandard möglich.