Verwandze der Kamele: Eine Herde von Vikunjas in den Anden
Randall Haas
Randall Haas
Jungsteinzeit

Großwildjagd war auch Frauensache

Vor 9.000 Jahren war die Großwildjagd keine rein männliche Domäne, wie Ausgrabungen in Südamerika zeigen. In diesen jungsteinzeitlichen Gesellschaften griffen Männer und Frauen zu Speer und Projektil, um die Gemeinschaft mit Fleisch zu versorgen.

Ist von Jägern und Sammlern die Rede, hält sich bis heute das stereotype Bild von den Tiere jagenden Männern und den Früchte sammelnden Frauen. Diese Arbeitsteilung, so heißt es, habe es immer schon gegeben. Eine Studie der University of California, die soeben in „Science Advances“ erschienen ist, widerlegt diese Annahme zumindest für jene Gemeinschaften, die in der Jungsteinzeit in den Anden beheimatet waren.

Illustration zeigt eine Jägerin in den Anden vor 9.000 Jahren.
Matthew Verdolivo, UC Davis
Die Illustration der University of California zeigt, wie die junge Frau auf Jagd nach Wildkamelen gegangen sein könnte.

Grab gehört junger Großwildjägerin

Ein archäologischer Zufallsfund machte die Studie der Anthropologinnen und Anthropologen möglich: 2013 entdeckte ein Bauer auf der Altiplano-Hochebene im heutigen Peru fünf Grabhügel. Die Ausgrabungen in Wilamaya Patjxa förderten eine Art Werkzeugkasten für die Jagd, Projektilspitzen und Instrumente zum Zerlegen von Großwild zu Tage. Nachdem es sich bei Grabbeigaben meist um Dinge handelt, die die Menschen zu Lebzeiten bei sich hatten, musste es sich um das Grab eines Jägers handeln, so die Annahme des gesamten Teams.

9.000 Jahre alte Werkzeuge für die Großwildjagd.
Randy Haas/UC Davis
Die Forscher fanden in der Grabstätte der Jägerin verschiedene Werkzeuge und Projektilspitzen für die Großwildjagd.

Denn auch die Forscherinnen und Forscher gingen von einer klaren Rollenverteilung bei diesen Jägern und Sammlern aus, sagt der Anthropologe Randy Haas, der die Studie leitete, Männer jagten und Frauen sammelten. Laboruntersuchungen von Zähnen und Knochen überraschten das Team schließlich: Dieses Grab gehörte einer Frau, einer jungen Großwildjägerin, die im Alter von etwa 19 Jahren verstorben war. „Sie jagte unter anderem Kleinkamele, die wildlebenden Vorfahren des Alpakas“, so Haas gegenüber science.ORF.at.

Zumindest ein Drittel waren Jägerinnen

Haas wollte in der Folge herausfinden, ob es sich bei dem Fund um einen außergewöhnlichen Einzelfall handelte. In Nord- und Südamerika wurden bis dato 107 vergleichbare Grabstätten aus der Steinzeit entdeckt, darin befanden sich 429 Individuen. In 26 Grabstätten fand man bis dato Werkzeuge für die Großwildjagd. Davon gehörten 15 Jägern und elf Jägerinnen.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass der Anteil der Frauen an der Jagd in diesen Gemeinschaften bei 30 bis 50 Prozent lag. „Eine Rollenverteilung nach Geschlecht gab es definitiv nicht“, so Haas. Er gehe von mindestens einem Drittel Jägerinnen in diesen Gesellschaften aus. Der Anteil der Frauen an der Jagd war also wesentlich höher als in den meisten Jäger-und-Sammler-Gesellschaften der Gegenwart. Der Anthropologe möchte nun der Frage nachgehen, wie sich diese Arbeitsteilung in den vergangenen Jahrtausenden verändert hat und warum die Jagd heute zu einer ausgesprochen männlichen Aktivität geworden ist.