Coronavirus

Offene Fragen zum Impfstoff

Groß ist weltweit die Freude über die vielversprechenden Zwischenergebnisse bei der Erprobung eines Coronavirus-Impfstoffs, über die am Montag die Pharmafirmen Biontech und Pfizer berichtet haben. Eine Reihe wesentlicher Fragen ist aber noch offen.

Einen 90-prozentigen Schutz vor Covid-19 biete der Impfstoffkandidat BNT162b2 der beiden Firmen, wie es am Montag in einer Aussendung hieß. „Die genauen Daten zu den Zwischenergebnissen sind uns aber noch nicht zugänglich“, kommentierte Ursula Wiedermann-Schmidt, Impfexpertin und Leiterin des Instituts für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin an der Medizinuni Wien im Ö1-Morgenjournal. „Die Meldung am Montag stammte von den Firmen. Deshalb ist es wichtig, die genauen Ergebnisse zu analysieren, sobald wir sie haben.“ Noch nicht beantworten können man aktuell etwa die Frage, wie lange die Impfung vor Covid-19 schützt.

„Ich hoffe, dass die Daten möglichst bald veröffentlicht werden, damit man sich ein genaueres Bild machen kann“, ergänzt Stephan Becker, Leiter des Instituts für Virologie an der Universität Marburg, der Deutschen Presse-Agentur. Insgesamt zeigen sich aber sowohl Wiedermann-Schmidt als auch Becker sehr erfreut über die bisher bekannten Ergebnisse.

Unklarheit bezüglich Altersgruppen

Leif-Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Berliner Charité, betonte, auch zu möglichen Nebenwirkungen lasse sich noch nicht allzu viel sagen. Zwar hätten sich nach Angaben der Unternehmen keine sicherheitsrelevanten Nebenwirkungen gezeigt. Sander verweist aber darauf, „dass der Beobachtungszeitraum für relevante Impfnebenwirkungen noch zu kurz ist“.

Unklar sei auch, ob der Impfstoff in verschiedenen Gruppen – insbesondere Risikogruppen wie älteren Menschen – gleichermaßen effizient wirkt. Ebenso fehlten Angaben dazu, wie sehr die Impfung vor schweren Verläufen von Covid-19 schütze.

Sollte sich die hohe Wirksamkeit von mehr als 90 Prozent bestätigen, „wäre dies eine unerwartet hohe Impfeffizienz“, so Sander. Viele routinemäßig eingesetzte Impfstoffe wie etwa gegen Influenza erreichten keine so hohen Werte. „Dies ist umso erstaunlicher, als mit der mRNA-Technologie noch nie ein Impfstoff zugelassen wurde.“

RNA-Impfstoff

Das Biontech-Präparat BNT162b2 ist ein sogenannter RNA-Impfstoff, der auf einem bisher völlig neuen Mechanismus basiert. Er enthält genetische Informationen des Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiß herstellt – in diesem Fall das Oberflächenprotein, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen eindringt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren.

Auch Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing zeigte sich überrascht von der hohen Wirksamkeit, die Biontech und Pfizer mit über 90 Prozent angeben. „Dies ist bemerkenswert, da viele laufende Impfstudien zu Covid-19 derzeit lediglich eine Erfolgsquote von mindestens 50 Prozent voraussetzen.“ Auch die US-Zulassungsbehörde FDA hatte eine Wirksamkeit von 50 Prozent als Mindestwert für eine mögliche Zulassung festgelegt.

Bald Antrag auf Zulassung

Biontech und Pfizer wollen voraussichtlich ab der kommenden Woche die Zulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragen. Biontech hatte den Impfstoff BNT162b2 im Projekt „Lightspeed“ (Lichtgeschwindigkeit) seit Mitte Jänner entwickelt. Die für eine Zulassung entscheidende Phase-3-Studie begann Ende Juli. Bis Montag haben mehr als 43.500 Menschen mindestens eine der beiden Impfungen bekommen, die im Abstand von drei Wochen verabreicht werden. Ein Impfschutz wird nach Angaben der Hersteller eine Woche nach der zweiten Injektion erreicht.