Rückenansicht einer Pensionistin und ihrer Pflegerin
interstid – stock.adobe.com
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Schwerpunkt

Buurtzorg – ein alternatives Pflegekonzept

Die Menschen in den Mittelpunkt stellen, Pflegeleistungen individuell abstimmen und wenig Bürokratie: „Buurtzorg“ – ein Konzept für eine menschenwürdige Form der Altenbetreuung aus den Niederlanden – versucht jetzt auch in Österreich Fuß zu fassen.

Buurtzorg bedeutet auf Deutsch Nachbarschaftshilfe, die Grundidee ist einfach: Sie stellt den Menschen in den Mittelpunkt der Pflege und nicht sein Alter oder seine Krankheit, sagt der Spitalsmanager und Mediziner Wolfgang Huber. Er hat das Pflegekonzept direkt vom Gründer Jos de Blok nach Korneuburg in Niederösterreich gebracht hat.

„Jos de Blok hat gesagt: Das Pflegesystem kann man nicht wie die Industrie managen“, so Huber. „Und alte Menschen sind nicht nur pflegebedürftig, sondern haben auch das Problem der Einsamkeit – Buurtzorg ist also eine neue Denkweise.“

Günstiger und weniger Jobfluktuation

Buurtzorg hat von 13 Jahren in den Niederlanden mit vier Pflegepersonen begonnen, heute sind es 15.000 diplomierte Pflegerinnen und Pfleger, die sich um über 70.000 Menschen kümmern. Das Pflegekonzept von Jos de Blok hat dem niederländischen Gesundheitssystem Kosten von 30 Prozent gespart, dazu ist die Mitarbeiterinnen-Fluktuation in der Pflege um 60 Prozent zurückgegangen. Der Erfolgsfaktor des Konzepts ist Beziehungsarbeit, weiß die diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin Pia Haider, die die Buurtzorg-Philosophie mit ihren Klienten täglich lebt.

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„In der herkömmlichen Hauskrankenpflege wird vorher ein Assessment gemacht und dann genau festgelegt, wie viel Zeit bei dem Klienten vorgegeben ist, dass etwa eine Körperpflege eine halbe Stunde dauert“, erklärt Haider. „Wir schauen uns den Klienten hingegen an und machen genau das, was er gerade an einem bestimmten Tag braucht. Wenn das einmal eine halbe Stunde dauert, dann dauert es eine halbe Stunde. Und wenn es eine Stunde dauert, dann es eine Stunde, d. h. die Zeit wird großzügiger bemessen.“

Selbstbestimmtes Arbeiten

Die Pflege sei im Buurtzorg-Konzept generell nicht strikt durchgetaktet, die Bürokratie auf ein Minimum reduziert. Gearbeitet wird in kleinen, selbstorganisierten Teams, durch diese Arbeitsweise geht es den Pflegekräften gut, bestätigt Pia Haider, sie könne völlig selbstbestimmt arbeiten.

„Da wir alle diplomierte Pflegerinnen sind, können wir das auch. In unserem Handlungs- und Tätigkeitsbereich entscheiden wir alles selbst. Wenn ein Hausarzt hinzugezogen wird, ist das notwendig, und wir arbeiten sehr eng mit ihnen zusammen und entscheiden dann auch vor Ort.“

In Österreich kämpft Buurtzorg noch darum, als Pflegeeinrichtung vom Land Niederösterreich offiziell anerkannt zu werden, Landesförderung gibt es bis dato keine. „Es geht eigentlich um sehr wenig Geld“, sagt der Mediziner Wolfgang Huber, der das Buurtzorg-Konzept gerne in Österreich etablieren würde. „Bei der Anzahl unserer Klienten und unsere Größe geht es um ein paar hunderttausend Euro, die das Land Niederösterreich sowieso zahlen würde – halt dann an eine andere Organisation. Wobei ich hier sagen muss – wir haben so viele Pflegefälle in Österreich – wir nehmen niemanden etwas weg.“