Eine geschminkte Frau mit wallendem Haar wird von einem ebenso feschen Mann angehimmelt
ASjack – stock.adobe.com
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„New Adult“ Romane

Knisternde Erotik zwischen den Buchdeckeln

„Kissing Lessons“, „Feel Again“ und “After Passion". So heißen Romane des noch relativ jungen Genres der „New Adult Fiction“. Meist treffen sich darin zwei gegensätzliche Charaktere, die Erotik soll knistern und die Liebe erlösen. Dass die Bücher mehr als nur Klischees bieten, zeigt die Forschungsarbeit einer Klagenfurter Germanistin.

Einen genau verortbaren Ursprung für das Genre der New Adult Romane gibt es laut Gerda Moser von der Universität Klagenfurt nicht. Weltweit erfolgreiche Bücher wie die Vampir-Reihe „Twilight“ und die Sadomaso-Trilogie „Shades of Grey“ seien jedenfalls wichtige Referenzpunkte.

Mann mit Vergangenheit trifft Frau mit Herz

Junge Frauen und Mädchen machen den Hauptteil der Leserschaft aus, geschrieben werden die Bücher meist ebenfalls von Frauen. Die erfolgreichsten Autorinnen heißen etwa Mona Kasten, Bianca Iosivoni und Anna Todd. In ihren Plots trifft üblicherweise ein (nicht immer ganz) junger Mann mit sinistrer Vergangenheit auf eine Frau mit offenem Herzen. Was folgt, ist ein pädagogisches Programm und eine gegenseitige Therapie, wie es Gerda Moser ausdrückt. „Die Frau mit Herz führt den Träger des dunklen Geheimnisses in die romantische Liebe ein. Umgekehrt bekommt sie dafür jede Menge Erfahrung in sexueller Leidenschaft.“ Am Ende steht ein Happy End mit Zusammenziehen oder gleich mit Heirat und Familiengründung.

Die weibliche Hauptfigur lässt sich zudem als modernes Dornröschen charakterisieren, das sich dem anderen Geschlecht verschlossen hat, erklärt die Germanistin. Egal ob als Bücher- oder PC-Nerd beschrieben, wird es erst durch das Auftreten des Bad Guys animiert, aus der selbstgewählten Höhle der Isolation auszutreten. Und auch der Bad Guy, gerne körperlich tätowiert und seit der Kindheit seelisch vernarbt, wird durch die echte und reine Liebe seines Dornröschens resozialisiert.

Mood management für Leserinnen

Wirklich neu ist am – extrem erfolgreichen – New-Adult-Genre also wenig. Das Mascherl „Adult“ gibt Leserinnen (und seltener: Lesern) aber den sicheren Hinweis, zwischen den Buchdeckeln auch auf „knisternde Erotik“ zu treffen. Darüber kann man sich leicht lustig machen, und das kann man auch leicht kritisieren. „Mit so einer Kritik von Seiten der Germanistik schießt man aber auch schnell übers Ziel hinaus“, meint Gerda Moser am Rande einer Online-Tagung der Universität Klagenfurt zum Verhältnis von Literatur und Liebe.

Die Leserinnen würden die oft groben Klischees der New-Adult-Romane nämlich nicht unbedingt gut finden. „Viele lästern darüber oder regen sich auf“, beobachtet Gerda Moser. Sie lassen sich auf die erwartbaren Emotionen des Textes ein und nutzen diese zur Regulierung ihres eigenen Gefühlhaushalts – mood management, nennt das die Medienpsychologie. Das Genre habe generell etwas Spielerisches, sagt die Germanistin. Es sei eine eigene Fanszene entstanden, in der sich Autorinnen, Leserinnen und Verlage austauschen – eine Kluft wie in den Gefilden der „hohen Literatur“ gebe es nicht. Man könnte also mit anderen Worten sagen: Es ist gar nicht so wichtig, was die Autorinnen schreiben, sondern was die Leserinnen und Fans daraus machen.

Stereotypen wanken

Das entspricht nicht der Theorietradition Theodor W. Adornos, wonach die Kulturindustrie manipuliert und betrügt, sondern der auch nicht mehr ganz neuen Einsicht der Cultural Studies, dass die Produktion von Kultur etwas anders ist als ihre Rezeption. In der vielfältigen Aneignung von Texten liege auch ihr widerständiges Potenzial. Im Fall der New Adult Romane zeigt sich das mittlerweile auch in der Produktion. So sind die Geschlechterstereotypen des Genres ins Wanken geraten, in den letzten Jahren tauchen auch gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen auf, es gibt Figuren nach Geschlechtsumwandlung und es lassen sich sogar Bad Girls von der reinen Liebe junger Männer umwerfen.

Ob diese Umdrehungen tatsächlich Fortschritte im Sinne Adornos sind, ist zu bezweifeln. In der Fanszene sei jedenfalls ein neues Wort entstanden, sagt Gerda Moser: Diversity-Bingo. Die Fans haken dabei die verschiedenen Attribute von Diversität, die die Autorinnen zunehmend verwenden und kombinieren – Ethnie, sexuelle Präferenz, Geschlechtsidentität etc. – sozusagen geistig ab – und amüsieren sich darüber.

Überforderung aller Beteiligter

In Aneignungsstrategien wie diesen sieht Gerda Moser durchaus ein widerständiges Potenzial im Sinne der Cultural Studies. Problematisch werde New-Adult-Fiction, wenn Liebe ideologisch als Allheilmittel verkauft wird – dies führe unweigerlich zur Überforderung aller Beteiligten. Der Partner oder die Partnerin soll jetzt nicht nur die Bestbesetzung sein für die Aufzucht der Kinder und ewiger Garant der romantischen Liebe, sondern ausgerüstet mit Handschellen und Nippelklemmen auch die Leidenschaft nachhaltig am Köcheln halten – von der Therapie der Kindheitstraumata ganz zu schweigen.

Gerade in letzteren sieht Moser den größten Fallstrick der New-Adult-Romane. Von den lüsternen Schlägen des Traumprinzen zum Fall für das Frauenhaus seien es nämlich oft nur wenige Schritte, der Triumph der Liebe in den Texten beschönige reale Gewalt- und Missbrauchsverhältnisse.