Ein Jogger in der Wiener Innenstadt während des 2. Lockdowns aufgenommen  am Mittwoch, 18. November 2020
APA/HERBERT PFARRHOFER
APA/HERBERT PFARRHOFER

Welche CoV-Maßnahmen wirken

Man konnte es bereits vermuten: Unter all den möglichen Coronavirus-Maßnahmen wirken nicht alle gleich gut. Am effektivsten ist das Vermeiden sozialer Kontakte, die Reinigung von Oberflächen bringt offenbar wenig. Das zeigt eine Datenauswertung des Lockdowns im März und April.

Mehr als 200 Länder haben die Komplexitätsforscher um Peter Klimek von der MedUni Wien für ihre Studie im Fachblatt „Nature Human Behaviour“ verglichen, herausgekommen ist eine Rangliste der wirksamsten Methoden, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Auf Platz eins rangiert die soziale Distanz, genauer: Das Verhindern von kleinen Menschenansammlungen, sei es nun im Büro, im Handel oder im Privaten.

Schulschließung: Debatte geht weiter

Als nachweislich wirksam haben sich auch die Schließungen von Grenzen, ausreichende Schutzausrüstung und ein geringer Bewegungsradius im Alltag herausgestellt. Selbiges gilt für die Schließung von Bildungseinrichtungen, doch hier müsse man bei der Interpretation aufpassen, sagt Peter Klimek gegenüber science.ORF.at.

„Wenn wir die Schulen hinunterfahren, dann reduzieren wir nicht nur die Kontakte in den Schulen selbst. Es werden ja auch rundherum alle Lebensbereiche heruntergefahren.“ Bei Schulschließungen werden also auch die betreuungspflichtigen Eltern in die soziale Isolation geschickt – und das dürfte laut Klimek der wichtigere Faktor sein. Ob kleine Kinder auch für Erwachsene stark ansteckend sind, sei nämlich nach wie vor fraglich.

Zu den relativ unwirksamen Maßnahmen zählt laut der statistischen Auswertung etwa die Reinigung von Oberflächen, Stichwort Schmierinfektion. Eine untergeordnete Rolle dürfte auch die Zahl der Fahrgäste in den Öffis spielen. Insgesamt müsse man aber festhalten, dass einzelne Maßnahmen nur sehr schwer getrennt von anderen zu bewerten sind.

Angst nützt sich ab

Interessantes Detail: Es muss nicht immer die Holzhammermethode sein, laut Studie kann man auch mit einem klugen Maßnahmenmix – etwa Homeoffice, Schließung von Geschäften und Lokalen – eine ähnliche Bremswirkung wie mit einem „harten“ Lockdown erzielen. Voraussetzung ist freilich, dass die Maßnahmen rechtzeitig gesetzt werden, was beim aktuellen (zweiten) Lockdown in Österreich nicht der Fall war.

Zu den „nicht-pharmazeutischen Interventionen“, wie es in der Studie heißt, zählt auch die Art und Weise, wie Regierungen mit der Bevölkerung kommunizieren. Große Unterschiede zwischen Appellen an die Eigenverantwortung auf der einen Seite und autoritär gestimmter Verbotspolitik andererseits haben Klimek und sein Team nicht gefunden, es bleibt aber zu vermuten, dass Vertrauen und Aufklärung auf die Dauer wirksamer sind. Warum? Weil das Heraufbeschwören von Bedrohungsszenarien dem sogenannten Präventionsparadox in die Hände spielen könnte, wie Klimek heute gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal betonte. Ob das so ist, sollen nun die Analysen des zweiten Lockdowns zeigen. In ein paar Wochen ist mit den ersten Ergebnissen zu rechnen.