Mount Everest und Himalaya
AFP/JEWEL SAMAD
AFP/JEWEL SAMAD
Ökologie

Wie der Mount Everest leidet

Vor dem Coronavirus haben sich die Massen am Mount Everest getummelt. Das hinterließ Spuren. Fast bis zum Gipfel haben Forscher nun Mikroplastik entdeckt – Überbleibsel der Bergsteiger. Und die Klimaerwärmung lässt die Gletscher schmelzen.

Mit seinen 8.843 Metern ist der Mount Everest der höchste Berg der Erde. Hoch oben auf der „Mutter des Universums“ (Qomolangma) – wie ihn die Tibeter nennen – ist es mit bis zu minus 50 Grad Celsius eiskalt, extrem stürmisch und die Luft sehr dünn. Dennoch ist der unwirtliche Gipfel seit jeher ein Sehnsuchtsort für die Menschheit.

Lange galt er als unbezwingbar, die Erstbesteigung gelang 1953 mit Sauerstoffmasken. Erst 1978 schafften Reinhold Messner und Peter Habeler den Aufstieg auch ohne künstlichen Sauerstoff. Bis heute verwendet aber ein Großteil der Bergsteiger noch immer eine Sauerstoffmaske – zumindest auf den letzten zweitausend Metern, der sogenannten Todeszone. So oder so ist der Aufstieg kein Spaziergang, viele bezahlen ihn noch heute mit dem Leben.

Forscher am Mount Everest
Mark Fisher/National Geographic
Forscherinnen und Forscher beim Aufstieg

Einsam ist es auf dem Berg dennoch längst nicht mehr; abgesehen von heuer, als der Mount Everest und andere Gipfel des Himalaya pandemiebedingt gesperrt wurden. Der Massentourismus hat den höchsten Berg erreicht und seine Spuren hinterlassen. Manche sprechen gar von der höchstgelegenen Müllkippe der Erde. Dass das nicht ganz falsch ist, bestätigt nun eine Studie im Fachmagazin „Cell“. Ein Team um Imogen Napper von der University of Plymouth hat sich dafür in der Region auf die Suche nach Mikroplastik gemacht. Es wurde fündig, und zwar nicht nur im Basiscamp, wo die meisten Plastikpartikel auffindbar waren – dabei handelt es sich vor allem um Überreste von Kleidung und Ausrüstung. Auch knapp unter dem Gipfel – auf 8.400 Meter Seehöhe – entdeckte das Team noch Mikroplastik im Schnee.

Drastische Schmelze

Die Arbeit ist Teil einer Artikelserie, die nicht nur zeigt, welche sichtbaren Spuren der Mensch bereits im höchsten Gebirgssystem der Erde hinterlassen, sondern wie sehr er die Gegend auch indirekt verändert hat. Für die nun in verschiedenen „Cell“-Journalen erschienenen Publikationen waren von April bis Juni 2019 zehn Forscherteams in der Region unterwegs. Im Fokus standen neben den direkten Einflüssen durch menschliche Aktivitäten vor allem die Auswirkungen des Klimawandels, etwa Veränderungen bei Niederschlägen und der Verlust an Gletschereis.

Forscher im Boot auf einem Gletschersee in der Mount Everest-Region
Freddie Wilkinson/National Geographic
Ein Team nimmt Proben in einem Gletschersee

Dieser Rückgang war tatsächlich drastisch, wie die Studie in „One Earth“ von Owen King von der schottischen University of St. Andrews und seinem Team zeigt: Seit den 1960er Jahren sind die Gletscher der Region um bis zu 100 Meter dünner geworden. Und der Verlust habe sich im Lauf der letzten sechs Jahrzehnten zunehmend beschleunigt. Das zeigt ein Vergleich von historischen und modernen Satellitenaufnahmen von 79 Gletschern. Die Schmelze habe mittlerweile Gebiete in mehr als 6.000 Meter Seehöhe erreicht. Diese Erhebungen seien auch für zukünftige Prognosen essenziell, betonen die Forscher. Denn die Gletscher des Himalaya sind eine der wichtigsten Wasserreserven in Südostasien.

Mehr Sauerstoff

Die Erderwärmung hat aber auch positive Nebenwirkungen – zumindest aus der Sicht mancher Gipfelstürmer. Denn die steigenden Temperaturen ließen auch den Luftdruck steigen, wodurch die Luft in sehr hohen Höhen heute mehr Sauerstoff enthält als noch vor 100 Jahren. Dadurch sei es vermutlich überhaupt erst möglich geworden, den Mount Everest ganz ohne künstliche Versorgung zu besteigen, schreiben die Autoren um Tom Matthews von der Loughborough University in einem weiteren Beitrag in „iScience“. Er und sein Team haben analysiert, wie sich die Sauerstoffversorgung am höchsten Berg der Welt durch den Klimawandel verschoben hat.

Insgesamt sind die Aussichten für den Mount Everest, den Himalaya und andere Gebirgssysteme allerdings alles andere als rosig. Die enorme ökologische Vielfalt von Bergregionen sei durch die Klimakrise bedroht, heißt es in einem Editorial zur Serie. Der Verlust ihrer Einzigartigkeit betreffe vor allem die Menschen, die in diesen Regionen leben und die davon abhängig sind. Die Berge selbst werden es am Ende überleben.