Kinder in Kigali, Ruanda
AFP/Wikus DE WET
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Ruanda

Wenn das Radio zum Klassenzimmer wird

Weltweit ist aktuell rund ein Drittel aller Kinder von Schulschließungen betroffen. UNICEF warnt vor einer „verlorenen Generation“. In Ruanda hat man versucht, den Kontakt zu Schülerinnen und Schülern nicht ganz zu verlieren: Sie wurden übers Radio unterrichtet.

Die CoV-Pandemie habe langfristige Auswirkungen auf Bildung, Ernährung und Wohlbefinden einer ganzen Generation von Kindern, schreibt UNICEF im Report „Averting a Lost Covid Generation“. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen nimmt den heutigen Internationalen Tag der Kinderrechte zum Anlass, um abseits der allgegenwärtigen Diskussionen um Schulschließungen auf die Situation junger Menschen weltweit hinzuweisen.

Fehlende Hilfe und Schulschließungen

Aktuell werden 40 Prozent weniger Kinder und Frauen durch Ernährungshilfen und entsprechende Beratung erreicht, warnt UNICEF. Mehr als 250 Millionen Mädchen und Buben würden keine Schulspeisungen bekommen und ebenso viele Kleinkinder keine Vitamin A-Tabletten. Zusätzliche sechs bis sieben Millionen Kinder unter fünf Jahren werden im Jahr 2020 an Mangel- oder akuter Mangelernährung leiden. Um 14 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 20.11. um 13.55

Abseits dieser akuten Versorgungskrisen würde die CoV-Pandemie auch langfristig auf Kinder und junge Menschen wirken. Immerhin sind aktuell rund 570 Millionen Kinder von landesweiten Schulschließungen betroffen.

Distance Learning via Radio

Ein Land, in dem es zumindest gelungen ist, den Kindern auch während den Schulschließungen einen Zugang zu Bildung zu ermöglichen, ist Ruanda. Mehr als sieben Monate lang waren die Schulen in Ruanda geschlossen. Anfang November wurden sie stufenweise wieder geöffnet. Immer noch gelten strenge Vorschriften: Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler pro Klasse ist begrenzt, es wird Fieber gemessen und die Kinder müssen Maske tragen.

Jean Claude Niyibizi, 13-jähriger Junge in Ruanda mit Grasballen auf dem Kopf
AFP/SIMON WOHLFAHRT
Manche Kinder in Ruanda müssen auch zuhause mithelfen, wie dieser 13-jährige Junge

Während der Schulschließungen versuchte man, die Kinder über das Radio zu unterrichten. „In Ruanda ist Radio sehr beliebt und auch weit verbreitet.“, erklärt Julianna Lindsey von UNICEF Ruanda. „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, Rwanda Broadcasting Agency, erreicht fast 99 Prozent der Bevölkerung.“ Diese Reichweite macht Radio in Ruanda zum idealen Medium für „Distance Learning“.

Radiogerät statt Klassenzimmer

Innerhalb von zwei Wochen gelang der Umstieg vom Klassenzimmer auf die Radiogeräte. Anfangs habe man auf Radio-Unterrichtseinheiten aus anderen Ländern zurückgegriffen und diese gemeinsam mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk für Ruanda adaptiert, erzählt die UNICEF-Länderbeauftragte. Später habe man dann gemeinsam mit „Inspire, Education and Empower“, einer NGO aus dem Bildungsbereich, eigene Lerneinheiten konzipiert. Erstellt wurden Lerneinheiten für die erste bis vierte Stufe Volkschule – und auch für Vorschulkinder.

„Wir haben versucht, die Unterrichtseinheiten interaktiv zu gestaltet und die Schülerinnen und Schüler so gut es ging in den Unterricht zu involviert“, sagt Julianna Lindsey. Die Kinder wurden beispielsweise übers Radio aufgefordert, neu gelernte Wörter zu buchstabieren oder diese aufzuschreiben. Hatten die Kinder Fragen, so konnten sie diese während des Unterrichts bei einer eigens eingerichteten, kostenlosen Hotline stellen. Unterrichtet wurde neben Kinyarwanda, eine der offiziellen Sprachen Ruandas, Mathematik und Englisch.

Mit Stand August hätten mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler in Ruanda am Radiounterricht teilgenommen, berichtet Julianna Lindsey. Neben dem Radio gab es auch Angebote im Fernsehen und auf einer eigens eingerichteten Online-Lernplattform. Die Fernseh-Unterrichtsstunden wurden in Gebärdensprache übersetzt, um auch gehörlosen Kindern einen Zugang zu Bildung zu gewährleisten.

„Wir sind sehr zufrieden, dass es gelungen ist, so vielen Kindern auch während der Corona-Pandemie Bildung zu ermöglichen“, zeigt sich die UNICEF Länderbeauftragte erfreut. Bildung sei für die Entwicklung der Kinder sehr wichtig – und auch für die weitere Entwicklung des Landes. Fast die Hälfte der Bevölkerung in Ruanda ist jünger als 18 Jahre.