Coronavirus unter dem Mikroskop und eingefärbt
NIAID-RML
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Forscher entdecken neue Virusmutation

Wiener Wissenschaftler haben aus Infektionsdaten einen Stammbaum von Coronaviren erstellt – und darin eine neuartige Mutation entdeckt: Was sie bewirkt, ist unklar.

Das Team um Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin hatte für die aktuelle Studie in „Science Translational Medicine“ Ausbreitungsdaten der Behörden mit Sequenzdaten des Erregers zu einem Stammbaum kombiniert. Auf diese Weise konnten die Forscher wertvolle Einsichten in die Übertragungswege gewinnen, etwa bei einem Cluster in Wien und Korneuburg.

Cluster verschmolzen

Hier wusste man bereits, wer wen angesteckt hat, und dass sich das Virus durch eine Infektionskette über eine Spinning-Klasse in einem Fitnesscenter ausgebreitet hat, sowie einen Kochkurs, Chöre, ein Begräbnis und Kindergeburtstagspartys, erklärte Bergthaler im Gespräch mit der APA. Außerdem gab es dazwischen immer wieder Infektionen innerhalb von Haushalten. Die Forscher konnten an diesen Cluster allerdings einen zweiten Korneuburg/Wien-Cluster dranhängen.

„Wir haben aufgrund der Virusmutationen gesehen, dass die Proben zu einem einzigen Cluster gehören müssen, weil sie fast identisch waren“, sagte Bergthaler. Die Forscher haben daraufhin 17 der betroffenen Personen noch einmal angerufen und schließlich auch mit diesem Contact-Tracing bestätigt, dass es sich hier um einen zusammengehörenden und nicht um zwei getrennte Cluster handelte.

Mutation „in Echtzeit“ beobachtet

„Außerdem konnten wir beobachten, wie in der Infektionskette von neun Generationen auf einmal eine Virus-Mutation auftauchte, die in Folge an die weiteren infizierten Personen weitergegeben wurde“, berichtet er. Somit habe man quasi „in Echtzeit“ nachverfolgen können, wie eine Mutation entsteht und in der menschlichen Population weitergereicht wird.

Ob sie etwas bewirkt, sei allerdings unklar. „Bisher wissen wir bei fast keiner Mutation weltweit, was sie wirklich macht“, sagte der Forscher. Lediglich eine spezielle Veränderung (D614G Mutation) in jenem Eiweißstoff, mit dem das Virus an Lungenzellen andockt (Spike-Protein) würde zumindest in Laborversuchen die Infektiösität erhöhen.

1.000 Viren pro Infektion

Die Verteilung von unterschiedlichen Virusmutanten verriet den Forschern zudem, wie viele Viren bei einer Infektion von Mensch zu Mensch übertragen werden. „Im Schnitt sind es 1.000 Virus-Partikel“, sagte Bergthaler. Die Streuung sei aber recht groß, bei manchen „Infektionspärchen“ habe schon eine kleine Virendosis gereicht, bei anderen war sie wiederum viel höher. „Wir wollen uns jetzt anschauen, ob hier unterschiedliche Schutzmaßnahmen wie das Masken-Tragen eine Rolle spielen“, so der Wissenschafter.

Die Forscher sequenzierten auch Viren von 31 Intensivstation-Patienten. „Wir konnten sehen, wie manche Mutationen entstanden und wieder verschwanden“, so Bergthaler. Mit Daten von mehr Patienten wollen die Forscher nun herausfinden, ob sich diese Mutationen bei verschiedenen Behandlungen unterscheiden. „Das könnte uns Anhaltspunkte liefern, inwieweit das Virus sich auf bestimmte Behandlungen anpassen und Resistenzen bilden könnte.“ Da bis jetzt aber keine wirklich wirksamen Therapeutika zur Verfügung stehen, sei die Antwort aber vorerst nur von akademischer Bedeutung.