Frau an Reckstange
AFP/ANDREAS SOLARO
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Muskelaufbau

Nordeuropäer trainieren am meisten

Liegestütze, Kniebeugen oder Gewichte heben – Krafttraining gilt als sehr gesund. In Europa ist es laut einer Studie aber nicht sehr beliebt: Nur ein gutes Sechstel der Erwachsenen stärkt die Muskeln regelmäßig. Am fleißigsten sind die Isländer. In Österreich trainiert immerhin ein Drittel mehr als zweimal die Woche.

Regelmäßige Bewegung hilft dabei, Krankheiten vorzubeugen, und ist nebenbei auch noch gut für Geist und Psyche. Wer sich ausreichend bewegt, lebt im Schnitt länger – das ist heute wissenschaftlicher Konsens. Als besonders gesundheitsfördernd galt lange moderates bis intensives Ausdauertraining wie Laufen, Schwimmen oder Radfahren. Erst in der jüngeren Vergangenheit gibt es zunehmend Belege, dass auch Krafttraining vor diversen gesundheitlichen Problemen schützt, besonders effektiv für das Herzkreislaufsystem ist es in Kombination mit Ausdauertraining, ergab unter anderem eine Metastudie aus dem vergangenen Jahr.

Drei Männer machen Liegestütze
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Um die Muskeln zu trainieren, braucht man nicht unbedingt aufwendige Geräte.

Wer regelmäßig mit Geräten oder mit dem eigenen Körpergewicht – z.B. mit Liegestützen – trainiert, stärkt zudem seine Muskeln und Knochen, ist meist weniger ängstlich und bleibt bis ins hohe Alter beweglich und geschickt. Selbst bei chronischen Krankheiten ist gezielter Muskelaufbau möglich und hilfreich. In einer Welt, in der die Menschen immer älter werden, sei das Präventionspotenzial enorm, schreiben die Forscherinnen und Forscher um Jason Bennie von der University of Southern Queensland nun in der Fachzeitschrift „PLOS ONE“. Mittlerweile hat auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) regelmäßiges Krafttraining in ihre Gesundheitsempfehlungen aufgenommen. 18- bis 64-Jährigen empfiehlt sie neben regelmäßigem Ausdauertraining auch mindestens zweimal die Woche die Muskeln zu stärken.

Regionale Unterschiede

Inwieweit Erwachsene in Europa diese Empfehlung berücksichtigen, haben Bennie et al. für ihre soeben erschienene Studie analysiert. Die Daten stammen aus der zweiten Welle des European Health Interview Survey, der zwischen 2013 und 2015 in 28 europäischen Ländern durchgeführt wurde: 280.605 Personen über 18 sind darin erfasst. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden dabei unter anderem gefragt, wie oft sie in einer typischen Woche ihre Muskeln trainieren, egal ob im Fitnessstudio oder zuhause, mit oder ohne Hilfsmittel. Zusätzlich wurden andere Lebensstilfaktoren und soziodemografische Daten (Alter, Geschlecht, Bildung, Einkommen, etc.) erhoben.

Die allermeisten Europäerinnen und Europäer erreichen die empfohlene Menge von mehr als zweimal wöchentlich nicht, nämlich über 80 Prozent. Nur gut 17 Prozent – etwa ein Sechstel – trainieren ihre Muskeln regelmäßig. Es zeigten sich jedoch starke regionale Unterschiede bzw. ein Nord-Süd- und West-Ost-Gefälle. Im hohen Norden – in Island – macht mehr als die Hälfte der über 18-Jährigen regelmäßig Krafttraining, in Schweden sind es 38, in Dänemark und Finnland 34 und in Österreich immerhin 32 Prozent. Am unteren Ende finden sich vor allem süd- und osteuropäische Länder: Malta, Zypern, Polen und Schlusslicht Rumänien.

Landkarte Europas zum Anteil von Muskelsportler

Überall trainieren Männer öfter als Frauen, jüngere häufiger als ältere Menschen und Personen, die nicht ganz gesund oder übergewichtig sind, stärken nur selten ihre Muskeln. Auch die Bildung und der Beruf dürften eine Rolle spielen. Studenten trainieren häufiger als alle anderen Gesellschaftsgruppen. Interessanterweise sind es eher die Stadtbewohner, die auf Krafttraining setzen.

Fehlendes Bewusstsein

Die Ergebnisse legen laut den Autoren nahe, dass es für die gesundheitlichen Vorteile von Muskelarbeit noch ein recht geringes Bewusstsein in der europäischen Bevölkerung gibt, anders als beim Ausdauertraining. Bei diesem schaffen laut einer Studie im Fachjournal „The Lancet“ (2018) bereits mehr als 60 Prozent der Europäer und Europäerinnen die von der WHO empfohlenen mehr als 150 Minuten in der Woche.

Die großen regionalen Unterschiede sind vermutlich unter anderem auf das große Wohlstandsgefälle zurückzuführen, schreiben Bennie und seine Kollegen. Wahrscheinlich gebe es in den reichen Ländern mehr Fitnessreinrichtungen und Trainer. Auch die Kultur könnte einen gewissen Einfluss haben, also welcher Wert der körperlichen Ertüchtigung in einem Land zugeschrieben wird.

Um das Krafttraining in Europa generell populärer zu machen, braucht es neben den sozialen und physischen Voraussetzungen auch entsprechende gesundheitspolitische Interventionen, meinen die Studienautoren, etwa Öffentlichkeitskampagnen, die über den gesundheitlichen Nutzen von Krafttraining informieren und die negativen Vorurteile gegenüber Muskelsport bekämpfen.