Häusermeer: Skyline der Megacity Tokio
Jae C. Hong/AP
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Umweltbilanz

Planet am Wendepunkt

Häuser, Straßen, Maschinen und Plastik: Die Masse der von Menschenhand hergestellten Dinge könnte in diesem Jahr erstmals die gesamte Biomasse auf der Erde übertreffen. Wissenschaftler sehen einen Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit.

Der menschliche Einfluss auf den Planeten hat laut der Studie im Fachblatt „Nature“ eine neue Phase erreicht. Die Masse der künstlichen Objekte hat sich demnach in den vergangenen 100 Jahren alle 20 Jahre verdoppelt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrug sie nur etwa drei Prozent der Biomasse. Als solche habe man „alles, was lebt“ definiert, sagt Studienautor Ron Milo vom israelischen Weizmann-Institut, also auch Pilze und Bakterien erfasst. Beispiele für von Menschen hergestellte Materialien sind Beton, Asphalt, Metalle, Kunst- und Baustoffe.

Pflanzliche Biomasse halbiert

Seit der ersten landwirtschaftlichen Revolution hätten Menschen die pflanzliche Biomasse von rund zwei Teratonnen (2.000.000.000.000 Tonnen) auf gegenwärtig rund eine Teratonne reduziert. Gründe seien etwa die landwirtschaftliche Nutzung von Böden und die Entwaldung.

Auf der anderen Seite steht die wachsende Produktion und Anhäufung von Objekten. Dies habe zu einer „Verschiebung des Gleichgewichts zwischen der lebenden und der von Menschen geschaffenen Masse“ geführt.

Kräne und Baumaschinen: Baustelle der Tesla Gigafactory in Grünheide bei Berlin
dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Milo und sein Team haben die globalen Veränderungen der Biomasse und der von Menschen produzierten Masse von 1900 bis zur Gegenwart untersucht. Während die Biomasse schrumpfe, wachse die „anthropogene Masse“ immer schneller an. Gegenwärtig werde sie in einem Umfang von mehr als 30 Gigatonnen (30.000.000.000 Tonnen) im Jahr produziert. Dies bedeute, dass für jeden Menschen auf der Welt in einer Woche Objekte geschaffen werden, die etwa seinem Gewicht entsprechen.

Mehr Dinge als Arten

Eine andere Studie war 2016 zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die Vielfalt technologischer Dinge – vom Bleistift bis zum Atomkraftwerk – inzwischen vermutlich die Zahl der Arten von Lebewesen auf der Erde übersteigt. Die Arbeitsgruppe um Jan Zalasiewicz von der Universität Leicester schätzte die „Artenzahl“ der Technosphäre auf über eine Milliarde – mehr als es lebende Arten auf der Erde gibt.

Die israelischen Forscher betonen in ihrer Arbeit, dass es sehr schwer sei, den Wendepunkt im Verhältnis zwischen Biomasse und von Menschen produzierter Masse auf der Erde zeitlich genau festzulegen. Bei ihren Schätzungen konzentrierten sie sich auf das Trockengewicht (ohne Wasserkomponente). Wenn der gegenwärtige Trend sich fortsetze, werde die Masse der von Menschen hergestellten Objekte im Jahre 2040 rund zwei bis drei Teratonnen betragen.

“Als Spezies Verantwortung übernehmen“

„Diese Studie zeigt, wie viel größer als unsere eigentliche ‚Schuhgröße‘ unser globaler Fußabdruck ist“, sagte Milo. „Wir hoffen, dass wir als Spezies Verantwortung übernehmen können, wenn wir diese ziemlich schockierenden Zahlen vor Augen haben.“

Bernhard Bauske, Plastikexperte bei WWF Deutschland, sagte zu der Studie: „Erschreckend ist auch, dass wir mittlerweile alle Menschen dieser Erde auf die Waage stellen müssten, um die jährliche Produktion an Plastik aufzuwiegen.“ Die Produktion von Plastik habe schwere Folgen für die Umwelt. „Von dem biologisch nicht abbaubaren Material gelangen jedes Jahr geschätzt acht Millionen Tonnen unkontrolliert in die Meere.“