Künstlerische Darstellung eines Quantengatters
Forance – stock.adobe.com
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Quanten

Der Unruh-Effekt wird messbar

Der kanadische Physiker William Unruh sagte 1976 einen seltsamen Effekt voraus. Der Nachweis im Labor war bislang praktisch unmöglich. Wiener Physiker schlagen nun eine einfachere Alternative vor.

Albert Einstein hat in seiner Speziellen Relativitätstheorie gezeigt, dass manche Messergebnisse vom Bewegungszustand des Beobachters abhängen. Ein berühmtes Beispiel dafür ist das Zwillingsparadoxon. Demnach altert jener Zwilling, der sich mit einer fast lichtschnellen Rakete auf Reisen begibt, deutlich langsamer als jener, der auf der Erde bleibt. Das kann man nicht nur in Gedanken nachvollziehen, sondern an stark beschleunigten Elementarteilchen tatsächlich messen.

Virtuelle Teilchen

Und die Quantenmechanik lehrt, dass das Vakuum keine gähnende Leere ist. Vielmehr besitzt es eine Energie, die bewirkt, dass spontan Teilchen aus dem Nichts entstehen. Diese durch Vakuumfluktuationen entstehenden virtuellen Teilchen kann man zwar nicht direkt beobachten, sie machen sich aber in verschiedenen Effekten bemerkbar. So erzeugen sie etwa in Halbleitern ein nicht zu unterdrückendes elektronisches Rauschen.

Unruh hat zudem postuliert, dass ein durch diesen Quantensee der virtuellen Teilchen bewegter Beobachter Wärmestrahlung empfindet. Dieses Phänomen ist eng verwandt mit der sogenannten Hawking-Strahlung Schwarzer Löcher, die dazu führt, dass diese mit der Zeit verdampfen.

Messung mit Quantensimulatoren

Um diesen Unruh-Effekt direkt nachzuweisen, „müsste man ein Messgerät innerhalb von einer Mikrosekunde fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen“, erklärte Sebastian Erne vom Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ) an der Technischen Universität Wien in einer Aussendung. Das ist natürlich unmöglich. Doch die Physiker schlagen nun vor, stattdessen Quantensimulatoren einzusetzen, um den Effekt zu studieren.

Gemeinsam mit Jörg Schmiedmayer vom VCQ und William Unruh von der University of British Columbia sowie mit der Gruppe von Silke Weinfurtner an der Universität Nottingham zeigen sie, dass man einen analogen Effekt auch in ultrakalten Bose-Einstein-Kondensaten (BEC) nachweisen könnte. Bei BECs handelt es sich um Atomwolken in einem exotischen Materiezustand nahe dem absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius), die sich wie ein einzelnes Quantenobjekt verhalten. In einem entsprechend angepassten BEC müsste man einen Beobachter nicht auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigen, um den Effekt zu sehen. Dort sollte man ihn auch bei kleinen Geschwindigkeiten bzw. Beschleunigungen nachweisen können.

Einblick in „nicht zugängliche Physik“

In einem zweidimensionalen BEC würde sich der Unruh-Effekt nicht in Form virtueller Teilchen und Temperatur manifestieren, sondern durch plötzliche innere Anregungen sichtbar werden – kleine Unregelmäßigkeiten, die sich wellenartig ausbreiten – für Schmiedmayer „eine Quantensimulation von sonst nicht zugänglicher Physik“, wie er gegenüber der APA betonte. Die Wiener Physiker zeigten nun mit ihren Kollegen, dass man solche Unregelmäßigkeiten mit speziellen Laserstrahlen nachweisen könnte.

„Wenn man den Laserstrahl in beschleunigter Bewegung über die Atomwolke führt, entspricht das einer Bewegung des Beobachters durch den leeren Raum, und dann sollte man Störungen nachweisen können, die im unbewegten Fall nicht da sind“, erklärte Schmiedmayer. Ein solches Experiment durchzuführen sei sehr aufwändig aber nicht unmöglich.