Künstlerische Darstellung der Spaghettisierung
ESO/M. Kornmesser
ESO/M. Kornmesser
Astronomie

Die Highlights des Jahres

Schwarze Löcher, Rote Riesen und Wasser auf dem Mond: Die astronomische Forschung hat auch 2020 wieder zahlreiche spektakuläre Entdeckungen geboten. Die beiden Astronomieexperten Anneliese Haika und Stefan Wallner blicken in einem Gastbeitrag zurück auf die „himmlischen“ Höhepunkte des Jahres.

Der Physik-Nobelpreis 2020 stand ganz im Zeichen der kompaktesten und massereichsten Objekte im Universum, nämlich Schwarzen Löchern. Roger Penrose (University of Oxford) erhielt die Hälfte des diesjährigen Preises für seine Arbeit über die robuste Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie bei der Bildung von Schwarzen Löchern.

Der Brite war es, der zehn Jahre nach dem Tod von Albert Einstein die Bildung von Schwarzen Löchern belegte und im Detail beschrieb: als Singularität, in der die bekannten Naturgesetze aussetzen. Einstein selbst war zu seinen Lebzeiten davon nicht überzeugt, aber wie Penrose aufzeigte, sind diese komplexen Objekte aus der Allgemeinen Relativitätstheorie ableitbar.

Astronomie-Experten: Anneliese Haika und Stefan Wallner
Privat/Uni Wien

Die Autoren

Anneliese Haika ist AHS-Lehrerin und Mitglied der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie. Stefan Wallner ist Astronom an der Universität Wien.

Die andere Hälfte des Preises teilen sich Reinhard Genzel (Max Planck Institut für Extraterrestrische Physik, Garching) und Andrea Ghez (University of California, Los Angeles) für die Entdeckung eines supermassiven kompakten Objekts im Zentrum unserer Galaxie.

Durch die präzise Beobachtung von Sternbewegungen in Sagittarius A*, so der Name der Region im Mittelpunkt der Milchstraße, wurde deutlich, dass diese nur durch die Existenz eines extrem massereichen, nicht sichtbaren Objekts erklärt werden können. Dieses ist ein Supermassives Schwarzes Loch mit etwa vier Millionen Sonnenmassen und einer Ausdehnung nicht größer als unser Sonnensystem, wie Genzel und Ghez durch ihre Beobachtungen fanden.

Exoplaneten im Fokus

Weit über 4.000 Planeten um andere Sterne als unsere Sonne, sogenannte Exoplaneten, sind bereits nachgewiesen und die Zahl steigt kontinuierlich. Jetzt geht es darum, diese Vielzahl an fernen Objekten näher kennenzulernen und zu kategorisieren. Um diesem Ziel einen Schritt näher zu kommen, hat das Weltraumteleskop CHEOPS („Characterising Exoplanet Satellite“) der Europäischen Weltraumagentur (ESA) heuer den Betrieb aufgenommen und erste wissenschaftliche Daten geliefert.

Grafik: CHE­OPS-Er­geb­nis­se der Be­ob­ach­tung von WASP-189b
ESA

Vermessen wurde WASP-189 b, ein Gasriesenplanet, der seinem Stern 20-mal näher steht als die Sonne zur Erde und dessen Temperatur bis zu 3.200 Grad erreicht. Zudem ist die Umlaufbahn dieses Exoplaneten stark geneigt – sie führt fast über die Pole des Sterns. Es ist einer der extremsten Planeten, die bisher gefunden wurden.

Zwei weitere europäische Missionen zur Entdeckung und Klassifikation von Exoplaneten sind in Vorbereitung. PLATO („Planetary Transits and Oscillations of Stars“) befindet sich bereits in Bau und soll vor allem kleinere Gesteinsplaneten um helle, sonnenähnliche Sterne finden. Die Mission ARIEL („Atmospheric Remote-sensing Infrared Exoplanet Large-survey“) bekam im November grünes Licht für den Bau. Dieses Weltraumteleskop wird sich vor allem der chemischen Zusammensetzung und der Temperatur von Exoplaneten widmen. Geplante Starttermine sind 2026 für PLATO und 2029 für ARIEL.

Österreichische Institute sind an allen drei Missionen in wichtigen Bereichen beteiligt. Das Institut für Astrophysik der Universität Wien und das Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz entwickeln Software und Hardware für die Weltraumteleskope. Außerdem sind beide Institute an der wissenschaftlichen Auswertung der Daten beteiligt.

Besuch bei Asteroiden

Die japanische Mission Hayabusa 2 hatte das ehrgeizige Ziel, Material von dem erdnahen Asteroiden 162173 Ryugu zur Erde zu bringen. Gestartet im Jahr 2014, erreichte die Raumsonde den Kleinkörper im Sommer 2018. Im darauffolgenden Jahr gelang es, Bodenproben von Ryugu zu entnehmen.

Die kleine Kapsel mit diesem wertvollen Material landete nun, Anfang Dezember 2020, sicher in der Wüste Australiens. Die Raumsonde selbst flog an der Erde vorbei und soll im nächsten Jahrzehnt neue Aufgaben im Planetensystem erfüllen.

Sonde Hayabusa 2 überfliegt die Oberfläche des erdnahen Asteroiden 162173 Ryugu
JAXA
Hayabusa 2

Ein weiterer Asteroid hat aktuell Besuch von der Erde. Die NASA-Mission OSIRIS-REx begleitet zurzeit den Asteroiden 101955 Bennu und konnte im Oktober dieses Jahres eine Bodenprobe entnehmen. Diese soll 2023 zur Erde zurückgebracht werden.

Asteroiden dieser Typen enthalten vermutlich ursprüngliches Material aus der Anfangszeit des Sonnensystems. Es besteht die Hoffnung, durch die Untersuchung dieser Bodenproben neue Erkenntnisse zur Entstehung der inneren Planeten und über den Ursprung des Wassers auf der Erde zu gewinnen.

Beide Missionen erfüllen eine weitere wichtige Aufgabe: die genaue Untersuchung der Zusammensetzung erdnaher Asteroiden. Je mehr Details darüber bekannt sind, desto eher kann eine Abwehr gelingen, falls sich einer dieser Weltraumbrocken einmal auf Kollisionskurs mit der Erde befindet. Aber kein Grund zur Sorge: Derzeit ist keine Gefahr für unseren Heimatplaneten bekannt.

Der Blick auf die Sonne

Die Flotte an Satelliten zur Sonnenbeobachtung wurde zu Beginn des Jahres um eine weitere Raumsonde ergänzt. Der Solar Orbiter, eine Mission der ESA, beobachtet die Sonne und ihre Umgebung mit zehn Instrumenten, wobei die Umlaufbahn um die Sonne immer enger wird. In zwei Jahren wird die Sonde in nur 48 Millionen Kilometern Entfernung an unserem Stern vorbeifliegen, vergleichbar mit der geringsten Entfernung des sonnennächsten Planeten Merkur.

Solar Orbiter nähert sich der hell leuchtenden Sonne
ESA/ATG medialab
Solar Orbiter

Ein wesentliches Ziel der Forschung ist die Vorhersage von Weltraumwetter. Bei großen Ausbrüchen auf der Sonne werden Milliarden Tonnen an geladenen Teilchen ins All geschleudert. Trifft so ein „Sturm“ auf die Erde, können unter anderem Satelliten in der Erdumlaufbahn beschädigt werden oder ganz ausfallen. Solar Orbiter wird daher, zusammen mit fünf weiteren Raumsonden der NASA und ESA, diese Ereignisse genau beobachten und die Ursachen der Ausbrüche erforschen. Erste vielversprechende Ergebnisse wurden bereits erzielt.

Die Universität Graz und das Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sind mit Software- und Hardwarekomponenten maßgeblich an dieser internationalen Mission beteiligt.

Ein Stern sorgt für Aufruhr …

Beteigeuze, ein Roter Überriese mit einem Radius des 750-Fachen unserer Sonne, ist ein beliebtes Ziel der astronomischen Forschung. Als heller Eckpunkt im auffälligen Sternbild Orion ist er auch mit freiem Auge leicht zu beobachten. Der Stern in einer Entfernung von etwa 725 Lichtjahren dürfte im Endstadium seines Lebens und somit kurz vor einer Supernova stehen. Anfang dieses Jahres meinte man Anzeichen für die bevorstehende Sternexplosion gefunden zu haben.

Beginnend im Oktober 2019, begann die Leuchtkraft des Sterns scheinbar abzunehmen, im Februar 2020 besaß er gar nur noch ein Drittel seiner Helligkeit. Dabei sollte es aber nicht bleiben, bereits zwei Monate später, im April 2020, erreichte er wieder seine ursprüngliche Helligkeit. Eine solche Variabilität eines Roten Riesen, sofern sie von ihm direkt ausgeht, kann durchaus Hinweis auf eine folgende Supernova sein. So war auch die Hoffnung groß, das Himmelsspektakel, welches durchaus auch tagsüber am Himmel zu sehen wäre, noch zu Lebzeiten aktueller Generationen sehen zu können.

Verdunkelung des Sterns Beteigeuze
NASA, ESA, and E. Wheatley (STScI)
Die rätselhafte Verdunkelung von Beteigeuze

Beobachtungen des Hubble Space Telescope (NASA/ESA) sowie des STELLA-Teleskops des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) machten diese Hoffnungen aber zunichte. Geschwindigkeitsmessungen der äußeren Sternschichten zeigten, dass heißes, ausgestoßenes Sternmaterial die Bildung von Staub anregte.

Dieser Staub war es, der den Stern von der Erde aus gesehen verdunkelte. Somit war dieses „stellare Niesen“ für das Phänomen verantwortlich, und das Warten auf die Sichtbarkeit von Beteigeuzes spektakulärem Lebensende als Supernova hält weiter an. Wie lange? Hier gehen Meinungen stark auseinander, die Schätzungen sprechen von Tausenden bis zu Hunderttausenden Jahren, astronomisch also „kurz“ davor, wenn wir ein ganzes Sternenleben betrachten.

Wasser auf dem Mond

Die Mondoberfläche ist eine staubige Wüste mit extremen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht. Umso überraschender war die Entdeckung, dass in sonnenbeschienenen Kratern Spuren von Wasser zu finden sind. Das Infrarotteleskop SOFIA, ein gemeinsames Projekt des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums und der NASA, konnte Wassermoleküle im Boden des Kraters Clavius nachweisen. Bisher waren Wassereisvorkommen im Boden von einigen Kratern nahe dem Südpol des Mondes entdeckt worden. Diese Stellen liegen allerdings permanent im Schatten. Es ist rätselhaft, wie die nun entdeckten Wassermoleküle bei Temperaturen von bis zu +120 Grad Celsius bestehen können.

Auch wenn in einem Kubikmeter Mondmaterial verteilt auf der Oberfläche nur etwa 0,3 Liter Wasser vermutet werden, ist die Entdeckung doch für zukünftige Projekte von Bedeutung. Mehrere Weltraumbehörden und auch private Initiativen planen bewohnte Mondstationen in nicht allzu ferner Zukunft. Wasser auf dem Mond zu haben, wäre dabei von unschätzbarem Wert.

Wohl doch kein Leben auf der Venus

Phosphin – ein wohlbekanntes Molekül, farblos, übelriechend und hochexplosiv. Auf der Erde kennen wir es aus Abwässern, Reisfeldern oder durch industrielle Herstellung. Obwohl dieses unrühmliche Molekül von uns Menschen eher gemieden wird, kann es als Kennzeichen für biologische Organismen in sauerstofffreien Umgebungen des Weltalls dienen.

Künsterische Darstellung der Venus-Atmosphäre
ESO/M. Kornmesser/L. Calçada
Phosphinmoleküle in der Venusatmosphäre

So war es eine große Überraschung, als ein internationales Forschungsteam bei Beobachtungen mit dem James-Clerk-Maxwell-Teleskop sowie dem ALMA-Radioteleskop der Europäischen Südsternwarte auf deutlich höhere Spuren dieses Moleküls auf unserem Nachbarplaneten Venus stieß, als über nicht biologische Prozesse erklärbar wäre. Ist das nun ein erster Hinweis auf mikrobiologisches Leben in der Venusatmosphäre? Diese Entdeckung in den höheren Wolkenschichten des Planeten galt in dieser Hinsicht jedenfalls als sehr bedeutsam.

Die Ernüchterung kam jedoch nur wenige Monate später, denn wie die neue Aufbereitung der ursprünglich gewonnenen Daten zeigte, waren es wohl Probleme in der ALMA-Software, die die Daten verfälscht hatten – und so auch den Wert zur Menge an Phosphin. Tatsächlich soll der neu errechnete Wert nur ein Siebentel der primären Ergebnisse betragen. Nun sind weitere Analysen der Daten notwendig, um die Frage über Mikroben in den Wolken der Venus endgültig zu beantworten.