Menschen auf Wiese mit aufgemalten Kreisen für Abstand
APA/dpa/Marius Becker
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Befragung

Zusammenhalt hat abgenommen

Kulturveranstaltungen, Reisen und der Kontakt zu Freunden: Diese Dinge werden in der Pandemie am meisten vermisst. Das zeigt eine aktuelle Online-Befragung. Zudem beklagen die Befragten – anders als noch im Frühjahr – die fehlende Solidarität in der Gesellschaft.

Man spürt eine gewisse Coronavirus-Müdigkeit in der Gesellschaft. Alle Kulturveranstaltungen sind abgesagt. Man soll keine Freunde treffen – zumindest nicht in großer Runde. Und die Enge zu Hause kann belastend sein. Die Wiener Soziologin Barbara Rothmüller hat bereits im ersten Lockdown mehrere tausend Menschen online zu ihren Pandemieerfahrungen befragt. Nun im Herbst hat sie einen zweiten Durchgang gestartet.

Pandemiemüdigkeit und Ansteckungsängste

80 Prozent der Befragten leiden darunter, dass es kein anderes Thema mehr außer Covid-19 gibt, berichtet Barbara Rothmüller. „Darin spiegelt sich eine gewisse Müdigkeit wider, dass sich ein ganzes Jahr auf diese Pandemie konzentriert hat und es nix anderes mehr gibt.“ Die Fehlinformationen, die es in der Bevölkerung zum Thema Covid-19 gibt, schätzen die Befragten als groß ein.

Als psychisch belastend empfinden die Befragten die großen Ansteckungsängste in der Bevölkerung. Einem Drittel machen auch Einsamkeit und soziale Isolation zu schaffen. Rund 1.500 Personen aus Österreich und Deutschland haben bei der zweiten Online-Befragung mitgemacht. Darunter überdurchschnittlich viele Frauen und Personen mit höherer Bildung.

Positive Pandemieerfahrungen

Was Barbara Rothmüller schon in der ersten Befragung überrascht hat und was sich in der Folgeerhebung erneut gezeigt habe: Viele Menschen konnten die Zeit während des Lockdowns auch genießen. „Zwei Drittel meiner Befragten haben gesagt, dass sie im zweiten Lockdown in ihrem Haushalt viel Spaß hatten und dass die Pandemie den Zusammenhalt im Haushalt erhöht hat.“

Positiv gesehen wurde auch, dass man die wichtigen Menschen im Leben nun stärker zu schätzen wisse, man gemerkt habe, wer einem wirklich nahesteht und dass man mehr Zeit hatte nachzudenken. Diese positiven Effekte gelten natürlich nicht für alle. Es gebe auch Haushalte, wo ein zu viel an Nähe dazu geführt hat, dass Konflikte eskalieren, berichtet Barbara Rothmüller.

Weniger Solidarität

„Was ich schockierend fand an meinen Daten war zu sehen, wie stark sich die Stimmung in der Bevölkerung verändert hat, was Solidarität betrifft.“, erzählt Barbara Rothmüller. Im Frühjahr hätten noch 65 Prozent der Befragten angegeben, dass eine solidarische Stimmung in der Bevölkerung herrsche. Während des zweiten Lockdowns sei dieser Wert auf 20 Prozent zurückgegangen.

Dieses Stimmungsbild spiegle sich auch in den solidarischen Aktivitäten wider, die ebenfalls zurückgegangen seien. Zwar würden viele weiterhin bewusst regional einkaufen, die Nachbarschaftshilfe sei aber weniger geworden, ebenso wie die Bemühungen, online Treffen zu organisieren, berichtet die Soziologin. Mehr als 80 Prozent der Befragten befürchten, dass benachteiligte Bevölkerungsgruppen in der Pandemiebewältigung vergessen werden. „Da gibt es auf jeden Fall ein starkes, gesellschaftliches Sensorium dafür und große Ängste, dass diese Ungleichheiten massiv noch steigen werden.“