Das Virus hat auch den Sport verändert

Leere Stadien, eingeschränkter Trainingsbetrieb und reduzierte soziale Interaktion – die CoV-Pandemie hat auch den Sport nachhaltig verändert. Die Schäden reichen vom wirtschaftlichen Existenzkampf über reduziertes Leistungsvermögen bis hin zu einer drohenden „Dezivilisierung“ – denn Sport sei ein wichtiges Ventil, so ein Sportsoziologe.

Wie schwerwiegend die Auswirkungen sind, hänge laut Otmar Weiß vor allem von der Schnelligkeit der Rückkehr zu einer gewissen Normalität ab. Bei dieser könne der Sport eine wichtige Funktion übernehmen, meinte der Experte der Universität Wien. „Sport könnte eine ganz wichtige Rolle spielen, um die Menschen wieder glücklich zu machen und ihnen Sinn zu geben in ihrem Leben.“ Das gelte sowohl für den aktiven als auch für den passiven Bereich.

Durch den Lockdown seien viele Bedürfnisse unbefriedigt geblieben. „Corona und die Situation setzt jedem Einzelnen extrem zu. Auch jeder Gruppe und den Sportvereinen“, sagte Weiß. Diese müssten ihre Angebote völlig überarbeiten. Und sie werden es auch im neuen Jahr müssen. „Man wird die Menschen woanders finden und abholen müssen, weil sie sich nachhaltig verändert haben. Das Niveau von vorher wird man nicht so schnell erreichen.“

Die Motivation, Sport zu treiben, würde in einer derart schwierigen Situation nachlassen. „Je länger diese Phase dauert, umso problematischer für die Gesellschaft“, meinte Weiß. Der natürliche Bewegungsdrang sei bei Sechs- bis Zehnjährigen am größten. Werde dieser nicht gestillt, habe dies nachhaltige Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung. „Es entstehen Bewegungsdefizite, die Persönlichkeit ändert sich.“

Wichtiges Ventil

Zudem könne der Sport seine sozial-emotionale Funktion – er gilt vielfach als wichtiges Ventil – derzeit nicht erfüllen. „Der Mensch wird möglicherweise aggressiv, kann mit seinen Emotionen nicht mehr so gut umgehen“, erklärte der Sportsoziologe. Es drohe eine „Dezivilisierung“, zumal der Sport für eine humane Gesellschaft enorm viel beitrage. „Wir wissen über die Wirkungen – körperlich, geistig und sozial.“

Den Fußballfans etwa fehle das Stadionerlebnis. „Diese Menschen haben Entzugserscheinungen. Sie identifizieren sich mit ihrer Mannschaft, mit ihren Idolen“, sagte Weiß. „Millionen oder gar Milliarden von Menschen fällt der Sport jetzt als Sinngeber weg.“ Sie würden sich mitunter in undurchsichtige Ideologien, verbreitet über das Internet, flüchten. Weiß: „Der Sport ist sehr positiv besetzt. Die Ersatzbereiche sind oft nicht in dem Maße positiv.“

Auch für die Sportler sei eine Rückkehr zum Publikum von großer Bedeutung. „Jeder Mensch braucht Zuschauer und Applaus“, betonte der langjährige Lehrbeauftragte am Institut für Sportwissenschaft auf der Schmelz. Es gebe allerdings stabilere und weniger stabile Persönlichkeiten. „Diejenigen, die von klein auf genügend soziale Anerkennung bekommen haben, werden solche Phasen besser bewältigen als jemand, der Sport vor allem wegen der Anerkennung treibt.“

Möglicher Leistungsabfall

Leistungsabfälle gebe es durch Corona in jedem Fall, etwa durch erzwungene Trainingspausen. Zur physischen komme aber auch die psychische Komponente. „Die Atmosphäre, die Stimmung in einer Mannschaft und in der Umwelt haben Auswirkungen auf die Befindlichkeiten“, erklärte Weiß. „Man ist beeinflusst von der Gesamtsituation, sie überlagert alles.“

Um sie wieder zum Besseren zu wenden, sieht der Experte vor allem die Politik am Zug. Weiß hätte sich schon in der Konzeption der CoV-Maßnahmen der Regierung im Sportbereich eine stärkere Nutzung wissenschaftlicher Ressourcen gewünscht. Den dringendsten Handlungsbedarf ortet der gebürtige Niederösterreicher nun in einer Aufwertung des Schulsports. „Man muss schon in der Schule und auch im Kindergarten ansetzen. Bewegung ist der Motor für die körperliche und geistige Entwicklung des Menschen.“ Auch in Pandemie-Zeiten.