Karibisches Idyll: blaues Meer, weißer Strand und Kokospalmen
stockphoto-graf – stock.adobe.com
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DNA-Spuren

Wie die Karibik besiedelt wurde

Die karibische Inselwelt war wohl bei Ankunft der Europäer nur sehr dünn besiedelt. Sicher ist laut einer aktuellen Studie: Die Region wurde Jahrtausende zuvor in zwei Wellen erschlossen. Die genetischen Spuren der indigenen Völker sind heute noch sichtbar.

Die Forscher um David Reich von der Harvard Medical School haben für ihre Analyse im Fachblatt „Nature“ Erbgutdaten aus der Dominikanischen Republik, Venezuela, Curacao, Puerto Rico und den Bahamas kombiniert – und damit einen Blick in die Vergangenheit geworfen. Dass die Besiedlungsgeschichte der Karibik vor etwa 6.000 Jahren begann, wusste man bereits. Woher diese Menschen übersetzten, lag indes weitgehend im Dunkeln.

Herkunft: Süd- und Mittelamerika

„Unser Ziel war es, nicht nur die Herkunft der Menschen zu untersuchen, die vor dem Erstkontakt mit Europäern in der Karibik lebten, sondern auch deren regionale Interaktionsnetzwerke genau zu beleuchten“, sagt der Erstautor der Studie, Daniel Fernandes. Ergebnis der Analysen: Das Erbgut der ersten Siedler passt am ehesten mit jenem von Bewohnern aus Zentralamerika und dem nördlichen Südamerika zusammen. Einen genetischen Einfluss aus Nordamerika fanden die Forscher entgegen vielfacher Annahmen nicht.

Vor mindestens 1.700 Jahren erfuhr die Region dann eine tiefgreifende Veränderung: Den neuen Analysen zufolge dürften Menschen aus dem Nordosten Südamerikas über die Inselgruppe der Kleinen Antillen in weite Teile der Karibik vorgedrungen sein und die Keramiktechnik mitgebracht haben. Es scheint, als hätte diese Gruppe die ursprüngliche Bevölkerung nahezu überall ersetzt. Die letzten Pioniere, die bereits im Zeitalter der Archaik die Inselwelt erreicht hatten, hielten sich demnach im Westen Kubas bis zur Ankunft der Europäer. Dieser Befund deckt sich auch erstaunlich gut mit archäologischen und sprachwissenschaftlichen Daten.

Dünn besiedelte Inselwelt

Bis die ersten Schiffe aus Spanien anlandeten, blieb diese Bevölkerungsgruppe offenbar weitestgehend unter sich, hielt aber enge Kontakte über die Inseln hinweg. Für Fernandes unterstützen die neuen Erkenntnisse „die Theorie, dass die Völker des Keramikzeitalters gut miteinander vernetzt waren, was als Katalysator für die Verbreitung neuer Keramikstile in der gesamten Region wirken hätte können“.

Aufgrund der vielen DNA-Daten wagen die Wissenschaftler auch eine Schätzung der Bevölkerung auf Hispaniola und Puerto Rico, bevor die so folgenreiche Kolonialisierung begann. Demnach lebten dort geschätzt lediglich zwischen 10.000 und 50.000 Menschen vor Ankunft der Europäer. Das sei überraschend, da man bisher von einer Bevölkerung von mehreren Hunderttausenden bis Millionen von Menschen ausging. Trotz der Verwerfungen der vergangenen 500 Jahre findet sich laut der Studie im Erbgut der heutigen Bewohnern der karibischen Inseln im Schnitt noch zwischen vier und 14 Prozent genetische Information, die auf die indigenen Völker zurückgeht.