US-Gesundheitssystem

Selbst für die Reichsten nicht das beste

Das US-Gesundheitssystem gilt als das teuerste der Welt. Laut einer neuen Studie bietet es aber selbst den Reichsten nicht die beste Versorgung. Viele Gesundheitswerte sind in den wohlhabendsten US-Bezirken schlechter oder maximal gleich gut wie in zwölf anderen Industrienationen – darunter auch Österreich.

So sterben etwa deutlich weniger Mütter und Säuglinge nach der Geburt in den zwölf Ländern als in den privilegierten US-Bezirken, wie ein Team um Emanuel Ezekiel von der University of Pennsylvania in einer Studie berichtet, die soeben im Fachmagazin „JAMA Internal Medicine“ erschienen ist.

Höhere Mütter- und Säuglingssterblichkeit

Die Forscherinnen und Forscher werteten Gesundheitsdaten von US-Gebietskörperschaften („counties“) aus und ermittelten die fünf Prozent reichsten. Deren zumeist weißen Bewohner und Bewohnerinnen verfügen über ein durchschnittliches Haushaltseinkommen von 84.000 Dollar pro Jahr – deutlich mehr als die Schweiz (62.500 Dollar), das an der Einkommensspitze der zwölf Vergleichsländer steht, darunter auch Kanada, Japan, Australien, Deutschland und Österreich. Im Schnitt werden in den reichen US-Counties 9.500 Dollar pro Kopf und Jahr für Gesundheit ausgegeben. In der Schweiz, auch in dieser Rangliste auf Platz zwei gelegen, sind es 2.000 Dollar weniger.

Trotz dieser riesigen finanziellen Anstrengungen sind die Resultate bescheiden. So beträgt die Müttersterblichkeit in den reichen US-Counties elf von 100.000 Geburten. In Kanada und Frankreich, den beiden Vergleichsländern mit den schlechtesten Werten, sind es sechs bzw. fünf von 100.000. Ähnliches gilt für die Säuglingssterblichkeit: Während in den privilegierten US-Bezirken vier von 1.000 Geburten tödlich verlaufen, sind es etwa in Finnland nur 1,7.

Ungleichheit ist groß

Die Fünf-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit Erwachsener nach Darmkrebs und von Kindern mit akuter Leukämie ist in den US-Counties vergleichbar mit dem Schnitt der anderen zwölf Länder, ähnliches gilt für das Überleben nach einem Herzinfarkt. Einzig Frauen mit Brustkrebs haben in den reichen US-Counties deutlich bessere Überlebenswahrscheinlichkeiten als in den Vergleichsländern.

Wie die Forscherinnen und Forscher betonen, ist die Ungleichheit der medinischen Versorgung innerhalb der USA sehr groß. Bei allen der sechs untersuchten Gesundheitswerte geht es den Menschen in den reichsten fünf Prozent Counties viel besser als im Rest des Landes – noch mehr gilt das für das reichste Prozent der Bezirke, das haben die Forscherinnen und Forscher zusätzlich ermittelt. „Aber“, so schreiben sie in ihrem Fazit, „selbst wenn alle US-Bürgerinnen und Bürger die gleiche Versorgung hätten wie die privilegierten weißen US-Bürger, würden die Gesundheitswerte noch immer hinter vielen anderen Ländern liegen.“

Bei der Erklärung, warum das so ist, zeigt sich das Team um Emanuel Ezekiel zurückhaltend. Ein Ansatz: Die Wahlfreiheit von Ärzten und Ärztinnen wird in den USA sehr hoch geschätzt. Wohlhabende können sich die, oft durch Ranglisten definierten besten von ihnen aussuchen. Im Vergleich zu minderprivilegierten Mitbürgern geht diese Rechnung auch auf – nicht aber im Vergleich mit anderen Ländern, wie die neue Studie zeigt. Und das könnte daran liegen, dass es nicht nur auf die „besten Ärzte“ ankommt, sondern auch auf den Zustand des gesamten Pflege- und Nachsorgesystems.