Coronavirus unter dem Mikroskop und eingefärbt
NIAID-RML
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Coronavirus

Mutationen könnten Pandemie beschleunigen

Zwei mutierte Varianten des Coronavirus machen Experten zunehmend nervös. Beide wurden nun auch in Österreich nachgewiesen. Wenn sich die Hinweise auf die erhöhte Ansteckungsfähigkeit verdichten, wird es schwieriger werden, die Pandemie einzudämmen. Die Folgen: mehr Infizierte, mehr Kranke, eine höhere Belastung des Gesundheitssystems, mehr Tote.

Es erscheine anhand der verfügbaren Daten wahrscheinlich, dass B.1.1.7 bald auch in Deutschland die dominierende Variante sein werde, meint etwa der deutsche Virologe Jörg Timm von der Uniklinik Düsseldorf. „Ich halte eine Senkung der Fallzahlen grundsätzlich für eine nachhaltige Infektionskontrolle für notwendig. Wenn die Daten zur erhöhten Ansteckungsfähigkeit der neuen Variante stimmen – und davon gehe ich aus – dann wird die Aufgabe sicherlich schwieriger.“

Viren verändern sich mit der Zeit. Dabei geht es um Mutationen, also winzige Modifizierungen im Erbgut. Sie können die Eigenschaften eines Virus beeinflussen, ihn also beispielsweise harmloser oder auch gefährlicher machen.

Bei SARS-CoV-2 haben solche Mutationen das Virus offenbar leichter übertragbar gemacht. Eine Variante, B.1.1.7, wurde zunächst in Großbritannien nachgewiesen, ist aber mittlerweile in mehreren weiteren Ländern bestätigt – in Österreich wurden heute die ersten vier Fälle bei einer Pressekonferenz des Sozialministeriums bekanntgegeben. Alle Betroffenen hätten nur milde Symptome gezeigt und seien in Quarantäne gegangen.

Zudem meldete Südafrika Mitte Dezember eine weitere Variante, 501Y.V2. Auch von dieser Variante ist heute der erste Fall in Österreich berichtet worden. Noch handelt es sich um Einzelfälle, wie die Experten bei einer Pressekonferenz betonen. Die beiden Varianten ähneln sich zwar genetisch, sind laut Weltgesundheitsorganisation aber unabhängig voneinander entstanden.

Erhöhte Infektiosität

Fachleute gehen momentan nicht davon aus, dass die bisher zugelassenen Coronavirus-Impfstoffe schlechter gegen die beiden Varianten wirken – allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass sich solche Erreger noch bilden können. Auch ein schwererer Krankheitsverlauf durch B.1.1.7 wird nicht angenommen.

Allerdings verdichten sich die Hinweise, dass sich die in Großbritannien nachgewiesene Variante deutlich schneller verbreitet als frühere Formen. So kam ein britisches Forscherteam um Erik Volz vom Imperial College London zu dem Schluss, dass bei B.1.1.7 der sogenannte R-Wert unter den Bedingungen vor Ort um 0,4 bis 0,7 höher ist. Der R-Wert gibt an, wie viele weitere Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt. In Österreich lag der R-Wert laut AGES zuletzt bei 0,88 – diese Zahl wurde allerdings bereits am 18. Dezember veröffentlicht. Jüngere Daten lagen Anfang Jänner nicht vor.

Dass mittlerweile von einer erhöhten Ansteckungsfähigkeit ausgegangen werden kann, bestätigt auch Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften bei der heutigen Pressekonferenz des Gesundheitsministers Rudolf Anschober. Offenbar weisen die Betroffenen eine höhere Viruslast auf, was die erhöhte Infektiosität erklären könnte. Gefährlicher sei die Variante nach derzeitigem Kenntnisstand aber nicht.

Regeln anpassen

Adam Lauring, ein Experte für Evolution von RNA-Viren an der US-amerikanischen Universität Michigan, sagte in einem Podcast: „Entscheidungsträger werden darüber nachdenken, was sie mit Blick auf Corona-Regeln tun müssen.“ Weil sich die Variante schneller ausbreite, müssten solche Maßnahmen strenger sein, um den gleichen Effekt bei der Eindämmung zu erzielen. „Wir müssen besser bei den Maßnahmen werden, um das Virus zu kontrollieren. Falls nicht, werden wir mehr Corona-Fälle sehen.“ Das bedeute dann auch mehr schwere Erkrankungen und mehr Tote.