Stark vereinfacht kann man sich einen dipolaren Suprafestkörper als eine Kette von Quantentröpfchen vorstellen, die über eine dünne, sie umgebende supraflüssige Wolke miteinander kommunizieren
IQOQI Innsbruck/Harald Ritsch
IQOQI Innsbruck/Harald Ritsch
Quantenphysik

Suprafestkörper aus dem Gleichgewicht

In der Quantenwelt gibt es nahe am absoluten Nullpunkt einen Materiezustand, der gleichzeitig fest und flüssig ist. Was passiert, wenn ein solcher Suprafestkörper aus dem Gleichgewicht gebracht wird, haben Innsbrucker Physiker untersucht. Er verändert sich in einen weichen Festkörper. Der Vorgang lässt sich auch umkehren.

Die Existenz von Suprafestkörpern wurde bereits in den 1950er Jahren theoretisch vorhergesagt. Aber erst im vergangenen Jahr gelang es Wissenschaftlern aus Italien, Deutschland und Innsbruck unabhängig voneinander, mit Quantengasen aus starkmagnetischen Atomen bei einer Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius) gleichzeitig einen Kristall und eine suprafluide – also widerstandsfrei fließende – Flüssigkeit zu formen. Anders als bei teilweise geschmolzenem Eis gibt es in Suprafestkörpern aber nicht nebeneinander einen festen und flüssigen Anteil, sondern die zwei Zustände überlagern sich dabei auf quantenmechanische Art und Weise. Die Atome sind gleichzeitig Teil des Kristalls und der Supraflüssigkeit.

Normaler Festkörper

Thierry Giamarchi, theoretischer Physiker von der Universität Genf, vergleicht in einer Aussendung der Uni Innsbruck einen Suprafestkörper stark vereinfacht mit einer Kette von Quantentröpfchen, die über eine dünne, sie umgebende supraflüssige Wolke miteinander kommunizieren. Gemeinsam mit Francesca Ferlaino vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) hat er untersucht, was passiert, wenn dieses fragile Gebilde aus dem Gleichgewicht gebracht wird.

So haben die Forscher die supraflüssige Wolke zwischen den Tröpfchen mit Hilfe eines externen Magnetfelds entfernt. Die Tröpfchen beginnen dann schnell, sich wie kleine unabhängige Quantensysteme zu verhalten. „Der Suprafestkörper verwandelt sich wieder in einen normalen Festkörper“, so Maximilian Sohmen aus dem Team Ferlainos in der Aussendung. Dieser ist jedoch weich, kann sich verformen und weist Eigenschaften auf, die ihn zu einem wissenschaftlich interessanten Untersuchungsgegenstand mit starken Verbindungen zur Festkörperphysik und anderen Fachgebieten machen.

Den Physikern gelang es auch, diesen Prozess wieder umzukehren: Sobald sie die Wolke wieder auffüllen, beginnen die Tröpfchen wieder miteinander zu kommunizieren und stellen so die Suprafestigkeit wieder her.