Donald Trump bei einer Rede
ANDREW CABALLERO-REYNOLDS/AFP
ANDREW CABALLERO-REYNOLDS/AFP
US-Politik

Trumps zweitbester Trumpf: Männlichkeit

Die Präsidentschaftswahlen 2016 und 2020 offenbaren einen Kulturkampf in der US-amerikanischen Bevölkerung: Donald Trump erhielt nicht zuletzt wegen seiner toxischen Männlichkeit Zuspruch – auch von Frauen.

Wer dieser Tage die US-amerikanische Tagespolitik verfolgt, kann aus all den Wortmeldungen aus dem demokratischen Lager – und mit geringerer Frequenz auch von republikanischer Seite – eine Sehnsucht herauslesen. Das Land, so heißt es, möge endlich wieder geeint sein nach all den Jahren der Spaltung. Diese mag mit Trumps Präsidentschaft zwar nicht begonnen haben, klar ist aber auch: Sie hat nun ein neues, besorgniserregendes Ausmaß erreicht.

Bruchlinien in der Gesellschaft

Die Gräben sind tief wie nie, abzulesen ist das auch an den Konzepten der Sozialwissenschaft, die sich mit dem Phänomen Trump auseinanderzusetzen hat. Die Beurteilung des bis 20. Jänner amtierenden US-Präsidenten orientiert sich entlang von Bruchlinien zwischen zwei Lagern: Männer vs. Frauen, Weiße vs. Nicht-Weiße, Stadt vs. Land, Gebildete vs. Ungebildete. Eine solche Dichotomie ist auch dem parteipolitischen System in den USA eingeschrieben. Es gibt Demokraten, es gibt Republikaner – und dazwischen nicht viel.

Damit einher gehen, wiederum entlang einer Achse geordnet, Grundüberzeugungen davon, wie eine Gesellschaft auszusehen oder nicht auszusehen habe. Trump-Wähler und Wählerinnen sind tendenziell empfänglicher für Rassismus, Sexismus, Homophobie und Fremdenfeindlichkeit. Ist damit das Phänomen Trump angemessen beschrieben?

Hegemoniale Männlichkeit

Die US-amerikanische Psychologin Theresa Vescio ist der Ansicht, dass bisherige Analysen zu kurz greifen. Wie sie nun im Fachblatt „PNAS“ nachweist, lassen sich die letzten beiden US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen auch als Ringen um die Antwort auf diese Frage darstellen: Welche Rolle kommt Männern und Frauen in der Gesellschaft zu?

Trump steht in diesem Widerstreit der Weltbilder für die männlich dominierte Gesellschaftsordnung und für die Verteidigung der seit jeher bestehenden Machtverhältnisse. Oder, um einem Begriff aus den Sozialwissenschaften zu verwenden: Trump ist ein typischer Vertreter der hegemonialen Männlichkeit, toxischer Beigeschmack inklusive – diese Haltung dürfte in den Jahren 2016 und 2020 auch für seine Wähler und Wählerinnen von Bedeutung gewesen sein.

Wie Vescio in ihrer Studie zeigt, ließ sich die Stimmabgabe für den Kandidaten Trump mit Hilfe von Männlichkeitsbildern sehr gut vorhersagen. Sie sind nach der Parteizugehörigkeit der zweitstärkste Faktor, deutlich wichtiger noch als Bildung, Geschlecht oder Hautfarbe. Dass, wie mancherorts vermutet, der von Trump praktizierte Populismus für seine Wahlerfolge hauptverantwortlich sei, lässt sich mit Blick auf die Statistiken entkräften: Vescio hat aus ihren an über 2.000 Personen gewonnenen Daten das Vertrauen in die Regierung herausgerechnet, der Zusammenhang blieb der gleiche. Es ist das Männerbild, in dem die Überzeugungen seiner Wähler und Wählerinnen eine entscheidende Schnittmenge finden.

„Um in Amerika ein guter Mann zu sein, muss man erfolgreich, tough und mächtig sein, darum geht es bei der hegemonialen Männlichkeit“, sagt Vescio gegenüber dem ORF. „Dieses Konstrukt spricht auch Frauen an, wie wir nachweisen können. Auch wenn es letztlich darauf hinausläuft, dass diese Männer Macht über Frauen haben.“

Trump neu lesen

Natürlich hat das alles eine Vorgeschichte, schon in den 1980ern unter Ronald Reagan hatten sich die Republikaner als die „männliche“ Partei in Position gebracht und die Demokraten im Gegenzug als „unmännlich“ dargestellt, um ihre eigene Stärke zu demonstrieren. Die Wortmeldungen des abgewählten US-Präsidenten erscheinen mit Vescios Befund nun jedenfalls in anderem Licht.

Ob Trump im Wahlkampf 2016 über seinen Testosteronspiegel Auskunft gab oder über seine Konkurrentin Hilary Clinton äzte, sie ziehe „die Frauenkarte“, ob er seine Genesung von Covid-19 letzten Oktober als Triumph darstellte oder seinen Konkurrenten Joe Biden als „sleepy Joe“ verspottete – das alles war mehr als bloß Prahlerei oder die Ungehobeltheit eines Politikers, der sich mit Ausritten auf Twitter als dem Anti-Establishment zugehörig inszeniert.

Es waren Verweise auf sein Weltbild, die von seinen Wählerinnen und Wählern verstanden und goutiert wurden: 2020 erhielt Trump 74,2 Millionen Stimmen. Es wäre ein Rekordergebnis gewesen, hätte Joe Biden die bisherige Bestmarke, aufgestellt von Barack Obama im Jahr 2008, nicht noch weiter überboten.