Die Leiterin des Zentrums für Virologie der Meduni Wien, Elisabeth Puchhammer
APA/ROBERT JAEGER
APA/ROBERT JAEGER
Wissenschaftlerin des Jahres

Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl

Die Wiener Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl ist vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten zur Wissenschaftlerin des Jahres 2020 gewählt worden. Mit der Auszeichnung wird die Vermittlungsarbeit der 58-jährigen Leiterin des Zentrums für Virologie der Medizinischen Universität Wien vor allem während der Coronavirus-Pandemie gewürdigt.

Mit der seit 1994 jährlich durchgeführten Wahl will der Journalistenklub vor allem das Bemühen von Forscherinnen und Forschern auszeichnen, ihre Arbeit und ihr Fach einer breiten Öffentlichkeit verständlich machen und damit das Ansehen von Wissenschaft und Forschung in Österreich heben.

Unaufgeregt und kenntnisreich

Puchhammer-Stöckl hat in den vergangenen Monaten immer wieder Fakten und Hintergründe des Coronavirus SARS-CoV-2 erklärt, wobei vor allem ihre „unaufgeregte Art“ und „sachliche Information“ geschätzt werden. Sie habe „kenntnisreich, uneitel und wenn nötig eindrucksvoll direkt kontinuierlich Medien und Öffentlichkeit informiert“ und damit ein „Beispiel für den Auftrag und die Wirksamkeit von Wissenschaftskommunikation gesetzt“, heißt es in einem der Wahlvorschläge der Klubmitglieder für sie. Ihre TV-Interviews seien herumgeschickt worden, „weil man erstmals das Gefühl hatte, hier etwas Wesentliches verstanden zu haben“, heißt es in einem weiteren Wahlvorschlag

Die Virologin zeigte sich gegenüber der APA sehr erfreut über die Auszeichnung und hob die Bedeutung der Wissenschaftskommunikation seit Beginn der Coronavirus-Pandemie hervor, „da viele wissenschaftliche Erkenntnisse einen direkten Einfluss auf das Leben unzähliger Menschen weltweit hatten“. „Wir alle, WissenschaftlerInnen wie JournalistInnen, haben im Jahr 2020 wohl sehr viel dazu beigetragen, das Verständnis der Menschen für die virologischen Grundlagen der Pandemie zu fördern, und auch im Angesicht einer unübersehbaren Flut von Informationen die relevanten wissenschaftlichen Aspekte herauszuarbeiten“, sagte Puchhammer-Stöckl.

Die Leiterin des Zentrums für Virologie der Meduni Wien, Elisabeth Puchhammer
APA/ROBERT JAEGER

Nach viel Rampenlicht öffentliche Auftritte verringert

Nachdem Puchhammer-Stöckl vor allem in den ersten Monaten der Pandemie gefragte Gesprächspartnerin der Medien war – „ich habe Hunderte Interviews gegeben, ich kann gar nicht sagen, wie viele“ -, verliehen diese ihr bereits Attribute wie „Gesicht der Coronavirus-Aufklärung“ und „Hugo Portisch der Virologie“. Bewusst ins Rampenlicht trat sie dabei nicht: „Man denkt nicht viel darüber nach, aber nachdem wir uns gut mit Viren auskennen, war klar, dass wir der Bevölkerung das ein wenig erklären“, sagte sie im Gespräch mit der APA.

Dass der Informationshunger nicht abriss, sei nicht abschätzbar gewesen – „irgendwann ging es dann nicht mehr“. Sie reduzierte daher nicht nur ihre öffentlichen Auftritte, sondern verließ auch die Ampelkommission und konzentriert sich verstärkt auf ihre wissenschaftliche Arbeit und die Leitung des Zentrums für Virologie der Medizinischen Universität Wien.

Spezialistin für Herpesviren und Co.

Geboren am 30. September 1962 in Wien studierte Puchhammer-Stöckl in ihrer Heimatstadt Medizin und kam nach der Promotion 1986 über ein Projekt an die Virologie, wo sie seither tätig ist. Sie habilitierte – nach ihren Ausbildungen zur Fachärztin für Hygiene und Mikrobiologie sowie zur Fachärztin für Virologie – 1994. Wissenschaftlich konzentriert sie sich auf „persistierende Viren“, also Erreger wie etwa Herpesviren, die nach einer Infektion ein Leben lang im Körper bleiben und diesen beeinflussen.

Im Jahr 2000 wurde sie außerordentliche Professorin am Zentrum für Virologie, das sie seit 2018 leitet. Anfang Dezember der Vorjahrs übernahm Puchhammer-Stöckl eine Professur im Fachbereich Virologie der Medizinuniversität Wien.

Ihr Fokus liegt dabei auf der „translationalen Virologie“. „Wir versuchen, Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung für die Klinik anwendbar zu machen – das ist für mich das spannendste überhaupt“, sagte Puchhammer-Stöckl. Als Beispiel nennt sie eine langjährige Kooperation mit den Kollegen von der Lungentransplantation. Dabei konnte anhand der Höhe der Viruslast von speziellen nicht pathogenen Viren, die fast jeder Mensch in sich trägt, das Ausmaß der Immunsuppression bei Transplantationspatienten charakterisiert werden.

Die Leiterin des Zentrums für Virologie der Meduni Wien, Elisabeth Puchhammer
APA/ROBERT JAEGER

Keine „gläserne Decke“

„Ich wollte heilen“, begründete die Tochter eines Ordinarius für Biochemie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien die Wahl des Medizinstudiums. Dass es dann doch eher die Laborbank als das Krankenbett wurde, verdankte sie der Wartezeit auf den Turnus nach der Promotion 1986. Diese überbrückte sie mit der Mitarbeit an einem Projekt an der Virologie, deren ehemaliger Leiter Christian Kunz ihr nach kurzer Zeit eine Assistentenstelle anbot. Ihr gefiel die „wissenschaftliche Brillanz“ an der Einrichtung, und sie blieb – „eher im Bereich klinische Virologie und nicht so sehr in der Grundlagenforschung, denn es war mir wichtig, mit der medizinischen Seite zu tun zu haben“.

Selbst die Geburt ihrer beiden Töchter hinderte Puchhammer-Stöckl nicht an der Fortsetzung ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Sie nutzte dafür eine damals neue Möglichkeit zur Teilzeitarbeit an der MedUni. Die berüchtigte „gläserne Decke“, die Frauen den Aufstieg verwehrt, habe sie nie so empfunden. „Ich wollte Forschung machen, und das konnte ich hier immer.“ Dass unter den rund 60 Beschäftigten des Zentrums viele Frauen sind, sei unter anderem dem ehemaligen Leiter Kunz zu verdanken: „Wer gut war, konnte bleiben, gleich ob Mann oder Frau.“ Besonders sei aber schon, dass von den acht Habilitierten am Zentrum für Virologie drei Viertel Frauen sind.

Gute Erfahrung mit Politikberatung

In der Pandemie war sie Mitglied der Ampelkommission und gehört nach wie vor der Coronavirus-Taskforce des Gesundheitsministers an. Ihre Erfahrungen mit der Politiberatung sind nicht schlecht, „ich habe schon den Eindruck gehabt, dass man uns allen gut zuhört“. Sie habe ihre Rolle aber immer als rein wissenschaftliche Beratung gesehen und damit anders als etwa ihre Kollegen in Deutschland und den USA, Christian Drosten und Anthony Fauci, agiert, die viel stärker Politikberatung betreiben und etwa Empfehlungen zu Maßnahmen geben würden.

Die Virologin konzentriert sich da lieber auf ihre wissenschaftliche Arbeit am Coronavirus. So arbeitet ihre Gruppe an der NK-Zellantwort, jener Immunantwort mit natürlichen Killerzellen (NK), die ganz am Anfang einer Virusinfektion steht. Genvariationen mit Auswirkungen auf diese NK-Zellen könnten eine Ursache dafür sein, dass einzelne Menschen so schwere Krankheitsverläufe haben, sagte Puchhammer-Stöckl.