Rekunstruktion: Bronzezeitliche Äxte
Patrick – stock.adobe.com
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Bronzezeit

Magische Schmiedekunst: Die Rolle der Frauen

Prähistorische Siedlungen in Anatolien erlauben Einblicke in den Alltag der frühen Bronzezeit. Magie und Metallverarbeitung waren in der Kultur vor rund 5.000 Jahren stark verbunden, und auch Frauen und Kinder dürften dabei eine wichtige Rolle gespielt haben, schreibt die Ethnologin Sabina Cveček in einem Gastbeitrag.

Aufgrund ethnographischer und historischer Berichte wird die Praxis der Metallverarbeitung traditionell vor allem als ein männliches Handwerk wahrgenommen, das in Werkstätten ausgeführt wurde. Am frühbronzezeitlichen Fundort Çukuriçi Höyük in Westanatolien (Türkei) fand die Metallverarbeitung aber in Wohnhäusern statt.

Über die Autorin

Sabina Cveček studierte Ethnologie, seit 2016 ist sie Doktorandin in der Abteilung für Sozial- und Kulturanthropologie der Universität Wien.

Cveček ist Mitglied der Forschungsgruppe „Prehistoric Phenomena“ der Akademie der Wissenschaften und forscht derzeit als „Junior Fellow“ am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK).

Veranstaltung

Sabina Cveček hält am 18. Januar 2021, 18:15 Uhr, am IFK die Live-Zoom-Lecture: „Metalworkers’ homes: Food, arsenic copper, and knowledge sharing“

Bedeutet dies, dass Frauen und Kinder auch an der Produktion von Arsenkupfer beteiligt waren? Wenn wir diese Frage bejahren können, würde das ganz neue Rückschlüsse auf das Familienleben und die Arbeitsteilung dieser Zeit bedeuten.

Geteiltes Know-how

In Westanatolien der Frühbronze gewann die Arsenkupferproduktion an Bedeutung. Die an verschiedenen Fundorten produzierten Metalle dienten hauptsächlich für Lebensunterhalt statt Prestige: Also Metallwerkzeuge und Waffen wie Nadeln, Äxte und Dolche, aber auch Silber und Gold in kleineren Mengen. Auf den ostägäischen Inseln und in den Küstengebieten Westanatoliens ging die Metallverarbeitung mit einer sozialen und politischen Zentralisierung einher. Für solche proto-urbanen Siedlungen lässt sich oft nur ein einziger metallverarbeitender Haushalt innerhalb einer Siedlung belegen. In diesen metallverarbeitenden Haushalten fanden sich importierte Gegenstände, welche auf Fernhandel und eine auf einen Quasi-Häuptling ausgerichtete Sozialstruktur hinweisen.

Rekonstruktion einer bronzezeitlichen Siedlung
Horejs 2016
3-D-Rekonstruktion der bronzezeitlichen Siedlung Çukuriçi Höyük

Am Çukuriçi Höyük wurden verschiedene Stufen der Metallverarbeitung innerhalb der Siedlung aufgeteilt, was auf eine Abhängigkeit und Kooperation zwischen den Haushalten schließen lässt. Die Bewohner des Çukuriçi Höyük teilten, lagerten und produzierten arsenhaltige Metallobjekte innerhalb der und zwischen den Haushalten für den lokalen und regionalen Gebrauch. Auch ohne Beweise für eine soziale Schichtung, die aus architektonischen Überresten oder Haushaltsaktivitäten abgeleitet werden könnte, indiziert die Art der Metallverarbeitung an diesem Ort ein gemeinsames und geteiltes Know-how.

Teufel und Wunder

Die Verbindung zwischen Metallverarbeitung und Magie kann als eine mögliche kulturelle Gemeinsamkeit von metallverarbeitenden Gesellschaften angesehen werden. Der Beruf des Schmieds hat zahlreiche Volkslieder, Märchen und andere mündlich Überlieferungen inspiriert. Eine kürzlich durchgeführte sprachwissenschaftliche Studie zeigte, dass „Der Schmied und der Teufel“ eine der ältesten indoeuropäischen Volkserzählungen ist, die durch die Ausbreitung der indoeuropäischen Sprache in Europa weitergegeben wurde. Eine Verbindung zwischen Schmieden und Magie ist in den ethnographischen Aufzeichnungen weithin dokumentiert, da Schmiede Stein in Metall verwandeln können.

Historische Aufnahme der Gikuyu-Schmiede
Scoresby und Routledge (1910) 1968
Das Innere der Gikuyu-Schmiede

Bei den Gikuyu zum Beispiel, einer Gruppe im heutigen Zentralkenia, sind Schmiede respektiert und gefürchtet. Sie werden für ihre Fähigkeiten in der Eisenverarbeitung respektiert, die eine wichtige Rolle im wirtschaftlichen, religiösen, sozialen und politischen Leben der Gikuyu spielten. Dennoch sind die Schmiede ebenfalls gefürchtet – nicht zuletzt wegen der starken Flüche, die der Schmiedeclan ausrufen kann. Wird ein Mann oder eine Familie von einem Schmied verflucht, gibt es keine Form der Reinigung, die den oder die Verfluchten retten könnte. Der Gikuyu-Fluch besteht darin, ein Stück heißes, rotes Eisen auf einem Amboss zu zerschneiden und dabei Zaubersprüche auszusprechen wie:

Ng’ania wa Ng’ania arutwika ta kiriha geeke. Mahori maake marohehenjeka, ngoro yake erotweka ta kiriha geeke.

Möge So-und-so (Eigenname angegeben) wie dieses Eisen geschnitten werden. Möge seine Lunge in Stücke zerschmettert werden. (Kenyatta, 1953: 75).

Bevor Metall unter den Gikuyu wichtig für den Marktaustausch wurde, gab es nur eine Verwendung von Eisen: für männliche Initiationsriten. Allerdings beteiligte sich die ganze Familie eines Schmiedes an der Arbeit. Die Männer sammelten das Eisenerz aus den nahen gelegenen Flüssen und brachten es nach Hause. In den Häusern reinigten die Frauen und Kinder die Erze und trockneten sie in der Sonne. Nachdem die Erze durch Frauen- und Kinderhände gegangen waren, wurde das Eisenerz von Männern verhüttet. Nur Gikuyu-Männer verfügten über Kenntnisse in der Eisenverarbeitung und über Schmiederituale, durch welche die Gikuyu-Schmiede mit den Ahnengeistern in Verbindung traten und die ihnen die Herstellung von Metallgegenständen ermöglichten.

Die Rolle von Frauen und Kindern

Die Produktion von der Arsenkupferlegierung war eine neue Technik im frühbronzezeitlichen Westanatolien vor rund 5.000 Jahren. Wie von anderen Fundorten der Region bekannt ist, unterschieden sich die Werkstätten für Metallverarbeitung und -handel dabei stark. In den Haushalten am Çukuriçi Höyük fand nicht nur Metallverarbeitung, sondern auch Nahrungsaufbereitung statt, wie z. B. Tierknochen belegen.

Daher könnte die Praxis der Arsenkupferherstellung hier der bei den Gikuyu beschriebenen Vorgehensweise ähneln, bei der Frauen und Kinder am Prozess der Metallverarbeitung beteiligt waren. Allerdings konnte bei den Gikuyu nur der Schmied mit den Geistern der Ahnen in Verbindung treten, um Eisen herzustellen.

Bronzezeitliche Fundstücke: Werkzeuge und Gussformen
Mehofer 2014
Gussformen, Tiegel und Arsen-Kupfer-Gegenstände aus Çukuriçi Höyük

Ähnlich wie bei den Gikuyu ist auch auf dem Çukuriçi Höyük eine räumliche Trennung zwischen weiblichen und männlichen Aufgaben im Zusammenhang mit der Metallverarbeitung nicht belegbar. Die gleichen Feuerstellen, die zum Kochen und zur Nahrungszubereitung dienten, wurden auch für die Metallverarbeitung genutzt. Auf dem Çukuriçi Höyük scheinen für die Metallproduktion Geschlechts- und Altersunterschiede innerhalb der Haushalte vernachlässigbar gewesen zu sein, da Metallurgie, Kochen und Wissensaustausch den Vorrang hatten.

Frauen und Kinder auf dem Çukuriçi Höyük können daher als „versteckte Produzenten“ von Metallen bezeichnet werden. Wenn Faktoren wie Geschlecht und Alter bei der Bewertung prähistorischer Haushalte jedoch stärker mit einfließen, werden Frauen und Kinder zu „sichtbaren Produzenten“, die aktiv an der Herstellung von Metallobjekten in den Häusern beteiligt waren.