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AFP/LIONEL BONAVENTURE
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Mobilfunk

Mediziner fordert Stopp des 5G-Ausbaus

Der Ausbau von 5G schreitet weltweit rasant voran. Ein britischer Mediziner plädiert nun für einen Stopp. Es sei wissenschaftlich nicht ausreichend belegt, dass das superschnelle Mobilfunknetz für Mensch und Tier wirklich nicht schädlich ist. Das widerspreche dem Vorsorgeprinzip.

Selbstfahrende Autos, Maschinen, die miteinander kommunizieren, und überall ultraschnelles kabelloses Internet, zu Hause genauso wie in der Arbeit und in der Schule – all das soll durch den neuen Mobilfunkstandard 5G selbstverständlich werden. Der Standard verwendet deutlich höhere Frequenzen und kann so selbst riesige Datenmengen bewältigen. Der Ausbau läuft bereits auf Hochtouren, weltweit und auch in Österreich.

Der Nachteil der hochfrequenten Wellen: Sie haben eine sehr geringe Reichweite, weswegen die Basisstationen viel dichter angeordnet sein müssen. Im Idealfall braucht es alle 100 bis 300 Meter eine Sendeanlage, schreibt der Epidemiologe John William Frank von der University of Edinburgh in einem soeben im „Journal of Epidemiology & Community Health“ („British Medical Journal“) erschienenen Kommentar. Bisher standen die Sendemasten für den Mobilfunk oft kilometerweit auseinander. Durch diese Dichte werde die elektromagnetische Strahlung zwangsläufig zunehmen.

Laut Betreibern und Befürwortern ist das nicht gesundheitsschädlich, geltende Höchstwerte würden dabei eingehalten. Für Österreich kommt der Wissenschaftliche Beirat Funk in seiner jüngsten Stellungnahme erneut zum Schluss, dass es nach derzeitigem Kenntnisstand generell keine gesundheitlichen Gefährdung durch Mobilfunkstrahlung gibt. Auch beim derzeitigen Ausbau des 5G-Netzes liege man hierzulande weit unter den Grenzwerten der „International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection“ (ICNIRP). Diese Kommission ist übrigens ein eingetragener Verein, laut eigenen Statuten handelt es sich aber um eine gemeinnützige wissenschaftliche Einrichtung. Als solche wird sie auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannt.

Appelle an Gesundheitsbehörden

Trotz aller Beschwichtungen von Seiten der Behörden plädieren weltweit zahlreiche Kritiker zumindest für ein temporäres Moratorium des Ausbaus, solange mögliche gesundheitliche Folgen durch die neue Technologie nicht ausgeschlossen werden können. Schon mehrmals hat etwa ein internationales Konsortium aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern seine Bedenken geäußert und öffentliche Appelle an die Gesundheitsbehörden der Welt gerichtet.

Sendemasten für 5G-Netz
AFP/NICOLAS ASFOURI
5G-Sendemast

Wie Frank in seinem Kommentar schreibt, berufen sich die Kritiker auf zwei Hauptargumente: Allein durch die Dichte des neuen Netzes könne man die Belastung von Mensch und Natur nicht mit jener von vor zehn oder zwanzig Jahren vergleichen. Auf der anderen Seite gebe es große Defizite, wenn es um die wissenschaftliche Untersuchung der Sicherheit geht. Dabei häufen sich in jüngerer Vergangenheit Hinweise, dass elektromagnetische Felder für Lebewesen unter Umständen doch schädlich sein könnten.

Wissenschaftliche Basis dünn

Laut Frank sind die ICNIRP-Grenzwerte, auf die sich auch die meisten Länder Europas berufen, viel zu hoch angesetzt. Diese wurden zwar erst letztes Jahr aktualisiert. Der private Verein sei aber nicht frei von wirtschaftlichen Interessen. In vielen Ländern seien viel niedrigere Grenzwerte gültig, etwa in Israel, Indien oder auch China – zu Recht, wie Frank findet. Die ICNIRP-Grenzwerte basieren auf unmittelbaren Wirkungen in tierischem Gewebe. Langzeiteffekte bzw. die Auswirkung einer chronischen Belastung ließen sich so gar nicht feststellen.

Oft sei nicht einmal klar, was technisch im Detail hinter 5G steckt, schreibt Frank. Rund um das Hochfrequenznetz kämen nämlich zahlreiche neue Technologien zum Einsatz – welche genau, liege meist in der Hand der privatwirtschaftlichen Betreiber. Dabei wäre dieses Wissen für vergleichbare Studien zu elektromagnetischen Feldern unbedingt notwendig. Denn die Studienlage sei ohnehin sehr dünn, zu einzelnen technologischen Neuerungen gebe es keine einzelne Untersuchung, weil die Lebenswissenschaften einfach nicht hinterherkommen.

Die wenigen verfügbaren Laborstudien zeigen laut Frank sehr wohl mögliche Effekte in biologischen Systemen. Sie reichen von Folgen für die Fortpflanzung, Nervenschäden bis zu Veränderungen im Erbgut, wie sich unter anderem in zwei Überblicksarbeiten aus den Jahren 2019 und 2020 nachlesen lässt. Allerdings sei der Wert dieser Laborstudien sehr umstritten. Für Frank bräuchte es dringend mehr epidemiologische Daten. Schon bei den bisherigen Mobilfunknetzen gebe es Hinweise auf mögliche Schäden für Mensch und Tier, aber auch hier ist die Studienlage alles andere als eindeutig.

Vorsorgeprinzip beherzigen

Jedenfalls hätte man jetzt noch die Möglichkeit, nach dem Vorsorgeprinzip zu handeln – das auch in den Leitlinien der europäischen Gesundheits- und Umweltpolitik fix verankert ist: nämlich indem man den 5G-Ausbau jetzt stoppt und sich um mehr wissenschaftliche Evidenz kümmert, die belegt, dass die Technologie tatsächlich keinen Schaden anrichtet. Derzeit wisse man einfach zu wenig.

Solange so vieles unklar sei, sollten wirtschaftliche Erfolgsversprechen, die ohnehin nicht für alle gelten, hintangestellt werden, meint der britische Mediziner und Public Health-Experte. Mit Verschwörungstheoretikern, die 5G mit der Ausbreitung des Coronavirus in Verbindung bringen, möchte er freilich nichts zu tun haben. Dafür, so betont Frank, gebe es nun wirklich keinen Beleg bzw. kein rational nachvollziehbares Argument.