Schüler und Schülerinnen (ca. 12 Jahre) mit Masken in einer Klasse
APA/dpa/Gregor Fischer
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Coronavirus

Unterschiedliche Maßnahmen je nach Schultyp

Wiener Forscher raten zur Bekämpfung der CoV-Pandemie an den Schulen zu je nach Schultyp unterschiedlichen Maßnahmen: An Volksschulen helfen bereits konsequentes Lüften und wöchentliche Tests, um das Übertragungsrisiko deutlich zu reduzieren. An Oberstufen oder Gymnasien braucht es dagegen zusätzliche Anstrengungen.

Anhand von Clusterdaten der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) entwickelten die Wissenschaftler des Complexity Science Hub (CSH) ein Modell zur Ausbreitung von SARS-CoV2 im Schulbereich. Die Clusteranalyse zeigte etwa, dass es zwar einerseits auch an Volksschulen durchaus zu gehäuften Fällen gekommen ist – allerdings seltener als an Schulen für ältere Kinder. Weiterer Unterschied: Der Primärfall an Volksschulen ist meist eine Lehrerin oder ein Lehrer. Während in Volksschulen mehr als 90 Prozent der Cluster von Lehrkräften ihren Ausgang nahmen, lag dieser Anteil bei den Oberstufeclustern nur noch bei knapp 20 Prozent.

Außerdem verliefen die Infektionen bei Volksschülern (mehr als die Hälfte) häufiger asymptomatisch als bei älteren Schülern oder Lehrern (rund 20 Prozent). Je jünger die Schüler, desto wahrscheinlicher ist es also, dass Cluster ihren Ausgang von der Lehrkraft nehmen, und umso wahrscheinlicher verläuft die Infektion bei Schülern asymptomatisch, schreiben die Studienautoren.

Unrealistisches Szenario

In ihren Simulationen spielten sie dann anhand dieser Daten verschiedene Ausbruchsszenarien an Schulen durch und rechneten verschiedene Präventionsmaßnahmen gegen. Wichtigste Maßnahme war dabei das Lüften einmal pro Unterrichtsstunde. „Wir haben dafür Interviews mit Direktoren geführt und gefragt, was ist an den Schulen wirklich gemacht worden. Dabei hat sich gezeigt, dass das Lüften eine zentrale Rolle spielte“, so der Komplexitätsforscher Peter Klimek (CSH), einer der Autoren, zur APA. Anschließend habe man verschiedene andere Maßnahmen (Masken, Selbsttests, Klassenteilungen) „dazugeschaltet“ und auch deren Auswirkungen sowohl einzeln als auch miteinander kombiniert dargestellt.

Zu erwartende Infektionen an Schulen pro Woche je nach Maßnahmen – Säulengrafik
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: CSH

Grundannahme war dabei eine 7-Tage-Inzidenz von 100 Fällen pro 100.000 Einwohner sowie eine in allen Altersgruppen gleich große Inzidenz. An Volksschulen würde sich dabei ohne irgendeine Maßnahme eine Zahl von 2.600 Infektionsfällen pro Woche ergeben. An Gymnasien wären es sogar 57.000 Fälle, die anderen Schultypen liegen dazwischen.

Dieses Szenario sei zwar unrealistisch, meinte Klimek. „Aber es zeigt, was passiert, wenn man es total unkontrolliert laufen lässt – dann marschiert das Virus durch.“ Den deutlichen Unterschied zwischen Volksschulen und Gymnasien erklärte er mit den deutlich höheren Schüler- und Klassenzahlen in letzterem Schultyp sowie mit dem Alter der Schüler.

Schulsimulator

Allein mit Lüften lassen sich an den Volksschulen die zu erwartenden wöchentlichen Fälle von 2.600 auf 390 senken. Tragen alle Lehrer noch Masken, reduziert man schon auf 300, tun das auch alle Schüler, ist man bei 120 Fällen. Bei einer Teilung der Klassen kommt man bereits auf 35 Fälle. Kombiniert man auch noch zweimal wöchentliche Selbsttestungen von Lehrern und Schülern, wird diese Zahl nochmals halbiert (16).

An den Gymnasien drückt das Lüften die Zahl der Infektionen von 57.000 auf 1.800. Lässt man Lehrer auch noch Masken tragen, ergeben sich im Modell nur noch 600 Infektionen, bei zusätzlichen Masken für Schüler dann 180 und bei halbierten Klassen 66 Infektionen. Mit wöchentlich zwei Testungen von Lehrern und Schülern lässt sich diese Zahl noch einmal mehr als halbieren (29). Die Forscher haben dazu einen interaktiven Schulsimulator entwickelt, mit dem man einzelne Maßnahmen dazu- oder wegschalten kann.

Einschränkung: Alle diese Zahlen seien Best-Case-Szenarien, so Klimek: Dafür müssten also tatsächlich alle Schüler oder Lehrer an den Tests teilnehmen bzw. bei einem Schichtbetrieb mit Halbierung der Klassen die jeweils andere Hälfte nicht zur Betreuung an die Schulen kommen. Auf der anderen Seite habe man umgekehrt noch mit dem herkömmlichen Mund-Nasen-Schutz gerechnet – beim Einsatz von FFP2-Masken würde eine stärkere Reduktion der Infektionen herbeigeführt, so Klimek.

Unterschiedliche Wirkung

Die Studienautoren folgern daraus, dass an den Volksschulen unter Umständen schon geringere und andere Präventionsmaßnahmen ausreichend sind. „Für Volksschulen kann mit Lüften und einmal wöchentlicher Antigen-Testung mit 100-prozentiger Beteiligung eine hinreichende Reduktion der Wahrscheinlichkeit von großen Ausbrüchen selbst bei hohem Transmissionsrisiko in der Bevölkerung erzielt werden“, heißt es in der Studie. Da im Volksschulbereich der Ausgangsfall meist eine Lehrperson ist, empfehle man daher ein mindestens ein- bis zweimaliges Screening der Lehrer. Größere Cluster seien dann zwar nicht auszuschließen, aber viel seltener, so Klimek.

Bei älteren Schülern brauche es dagegen noch zusätzliche Maßnahmen. „Für die Reduktion der Wahrscheinlichkeit größerer Ausbrüche bei älteren Schülerinnen und Schülern (Gymnasium, Oberstufe) vor dem Hintergrund eines hohen Transmissionsrisikos in der Bevölkerung bedarf es einer Kombination aller erwähnten Maßnahmen: Antigen-Screening, Lüften, MNS-Masken im Unterricht und Staffelung des Unterrichts.“