Forscher im Labor mit Covid-Impfstoff
Adobe Stock/Robert Kneschke
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Wie die RNA-Impfungen entstanden sind

Die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna sind die ersten zwei mRNA-Impfstoffe, die je für den Menschen zugelassen wurden. Die Zulassung ging für viele überraschend schnell. Geforscht wird an der neuen Impfmethode aber schon lange.

Messenger-RNA oder kurz mRNA ist so etwas wie die Bauanleitung für ein Protein. Die Idee hinter einem RNA-Impfstoff ist, dem Körper die Bauanleitung für den Teil des Virus zu spritzen, auf den das Immunsystem anspringt. Im Fall von Covid-19 ist das ein Stachel an der Außenhülle des Virus. Nach der Impfung wird anhand der mRNA-Vorlage dieses Spike-Protein gebildet, das Immunsystem lernt es sozusagen kennen. Wenn dann eine Infektion mit Corona passiert, ist das Immunsystem schon gewappnet.

Zahlreiche Studien von Tollwut bis Grippe

Dieser Impfstoff war zwar in weniger als einem Jahr fertig. Völlig überraschend war das aber nicht. Der Virologe und Impfspezialist Florian Krammer von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York betont: „Man arbeitet ja schon länger daran, und wir wissen auch schon länger, dass diese Impfstoffe sehr vielversprechend ausschauen für viele Krankheiten.“

Schon 1990 haben erste Versuche in Mäusen gezeigt, dass das Prinzip funktioniert. Danach wurde lange an Systemen gearbeitet, die empfindliche RNA stabil und sicher an ihren Zielort zu bringen. 2013 schließlich gab es das erste Mal eine klinische Studie an Menschen: Die deutsche Firma Curevac hatte einen RNA-Impfstoff gegen Tollwut entwickelt und in einer klinischen Phase-I-Studie an 101 Personen getestet.

Diese Phase liefert erste Aussagen über die Unbedenklichkeit der Anwendung eines neuen Mittels. Seither haben weitere Phase-I-Studien an jeweils rund hundert Personen mit mRNA-Impfungen stattgefunden: neben Tollwut auch noch etwa gegen die Grippe, gegen Zika, Chikungunya oder das Cytomegalievirus.

Phase-III-Studien sehr teuer

Mit dem Impfstoff gegen das Cytomegalievirus hat Anfang 2020 eine klinische Phase-II-Studie begonnen. In dieser Phase wird, wieder an einer eher kleinen Gruppe von Menschen, untersucht, ob ein Medikament oder Impfstoff grundsätzlich wirkt und in welchen Dosen. Das alles und vor allem der Entschluss, dann noch die Phase III zu starten, dauert normalerweise lange. Das hat vor allem finanzielle Gründe.

Klinische Phase-III-Studien werden an sehr vielen Menschen durchgeführt und kosten oft mehrere hundert Millionen Euro. Das war bei dem mRNA-Impfstoff gegen das Coronavirus vor allem dank großzügiger staatlicher Förderung erstmals kein Problem.

Pfizer/BioNTech testete seinen Impfstoff in dieser Phase an über 43.000 Personen, Moderna an 30.000. Jeweils die Hälfte dieser Gruppe erhielt den Impfstoff, die andere ein Placebo – und dann wurde beobachtet, wer Covid-19 bekommt. Ab einer bestimmten Menge an Erkrankungen lässt sich sagen, ob und wie gut der Impfstoff wirkt.

Nun auch Studien für Kinder

Diesen Prozess beschleunigte die zweite Coronavirus-Welle im Herbst. Es zirkuliert weltweit so viel Virus, dass sich in kurzer Zeit so viele Studienteilnehmer infizierten, dass man schnell abschätzen konnte, wie gut der Impfstoff wirkt. „Hätten wir die Pandemie unter Kontrolle gebracht, gäbe es weniger Fälle und noch keine Zulassung eines Impfstoffes“, meint Florian Krammer. So aber erfolgte die Zulassung für beide mRNA-Impfstoffe schon rund um den Jahreswechsel.

Die Phase-III-Studien laufen mit spezifischeren Fragestellungen weiter. Erst am 25.1. gab Pfizer bekannt, jetzt auch 2.200 Personen im Alter von 12 bis 15 Jahren in die Studie miteingeschlossen zu haben. Auch bei Moderna laufen schon entsprechende Studien. Florian Krammer rechnet mit einer ersten Zulassung für eine Corona-Impfung für Kinder unter 16 diesen Sommer.

Wichtige zusätzliche Methode

Die mRNA Impfstoffe sind auf jeden Fall für viele Infektionskrankheiten sehr vielversprechend. Wenn das Grundsystem einmal funktioniert, kann man relativ schnell zum Beispiel auf ein neues Virus oder die Variante eines Virus anpassen, indem man einfach die mRNA austauscht. Wie gut das geht, hängt allerdings sehr stark vom Krankheitserreger ab. mRNA-Impfstoffe werden sicher nicht alle anderen Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten ersetzen, sondern eher eine wichtige, zusätzliche Methode sein, lautet Florian Krammers Einschätzung.

Intensiv gearbeitet wird übrigens auch, ebenfalls schon seit Jahren, an Impfstoffen gegen Krebs. Das war auch bis März 2020 das spezielle Forschungsgebiet des Ehepaars Ugur Sahin und Özlem Türeci, den wissenschaftlichen Gründern von BioNTech: eine individualisierte Immuntherapie gegen Krebs, unter anderem mit Hilfe von mRNA-Impfstoffen.