Ampullen und Spritzen des Coronavirus-Impfstoffs von AstraZeneca
AFP – JUSTIN TALLIS
AFP – JUSTIN TALLIS

AstraZeneca-Impfstoff: Was man weiß

Wegen Lieferengpässen des Coronavirus-Impfstoffs von AstraZeneca ist ein Streit zwischen der Pharmafirma und der EU ausgebrochen. Dabei soll er erst Ende der Woche zugelassen werden. Auch über die Wirksamkeit bei älteren Menschen herrscht Unklarheit. Im Folgenden ein Überblick über die aktuelle Faktenlage.

Es wird erwartet, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) den AstraZeneca-Impfstoff am Freitag zulässt. Aber möglicherweise nicht für Menschen über 65 Jahren, wegen zu geringer Wirksamkeit – was AstraZeneca bestreitet. Was stimmt denn da jetzt?

Um das zu beantworten, kann man die bereits veröffentlichten Unterlagen und Studien heranziehen – etwa eine Studie aus der Fachzeitschrift „The Lancet“ von Dezember. Da sieht man, dass verhältnismäßig wenige ältere Menschen an den Impfstofftests von AstraZeneca teilgenommen haben: Von insgesamt 23.484 Testpersonen waren 974 zwischen 56 und 69 Jahren alt, 444 über 70 Jahre – und das beurteilen viele Forscherinnen und Forscher als zu dürftig, um daraus eine Wirksamkeit bei Älteren ableiten zu können.

Großbritannien hat den Impfstoff Ende Dezember dennoch zugelassen und verabreicht ihn dort älteren Menschen. Dort hatten sie bei der Zulassung dieselbe Datenbasis – nimmt man dort ein höheres Risiko in Kauf?

Zum einen weist man in Großbritannien – und auch seitens des Unternehmens – auf eine Untersuchung der Antikörper bei älteren Menschen nach der Impfung hin. Da habe sich eben gezeigt, dass das Immunsystem bei älteren Menschen gut auf die Impfung anspreche und Abwehrstoffe bilde. Zum anderen: In Großbritannien hat man eine Notfallzulassung gemacht, dafür müssen vom Unternehmen deutlich weniger Daten vorgelegt werden, man nimmt hier also bewusst ein höheres Risiko in Kauf. Bei der EMA geht es um eine reguläre Marktzulassung, deshalb hat man zusätzliche Informationen vom Unternehmen angefordert. Es gibt Medienberichte, wonach speziell eine Studie zu älteren Menschen nachgeliefert wurde – auf eine Anfrage von Ö1 bei AstraZeneca, ob es diese Studie gebe und welche Ergebnisse sie bringe, gab es bisher keine Antwort.

Von den vielen Impfungen in Großbritannien ausgehend: Zeichnet sich da eine schlechte Wirksamkeit bei über 65-Jährigen ab?

Aus der Praxis gibt es dazu bisher keine Berichte, und britische Forscherinnen und Forscher wiesen in den letzten Tagen immer wieder darauf hin, dass eben sehr wohl Abwehrstoffe auch von älteren Menschen gebildet werden. Aus den Zahlen zu Hospitalisierungen und Todesfällen lässt sich hier auch noch nichts ablesen, weil Großbritannien nach wie vor massiv mit hohen täglichen Zahlen kämpft – auch durch die ansteckendere britische Variante.

AstraZeneca überlegt, seinen Impfstoff mit dem russischen Impfstoff Sputnik V zu kombinieren – die erste Impfung also von AstraZeneca und die zweite von Sputnik zu verwenden. Wird das kommen?

Es gibt jedenfalls konkrete Überlegungen in diese Richtung – und das hat auch gute Gründe. Der russische Impfstoff Sputnik V verwendet die gleiche Technologie wie AstraZeneca, aber ein etwas anderes Schnupfenvirus, um einen Teil des Coronavirus zu transportieren. Kombiniert man nun AstraZeneca mit Sputnik V, hätte das möglicherweise den Vorteil, dass man das Immunsystem besser ansprechen kann, weil man ihm unterschiedliche Viren zeigt – es gibt viele Menschen in der Impfstoffforschung, die das für durchaus sinnvoll halten, man muss aber auch klar sagen: Das brauchte eine neue Zulassung, erstens weil Sputnik V für die EU nicht zugelassen ist, und zweitens weil man nicht einfach Impfstoffe untereinander austauschen kann.

Noch ein Ausblick auf die anderen Impfstoffe, die die EU eingekauft hat. Wie sieht es da aus, wann kommt Nachschub?

Große Hoffnungen werden derzeit in zwei weitere Impfstoffentwickler gesetzt, zum einen in die deutsche Firma Curevac, die so wie Biontech/Pfizer und Moderna einen mRNA-Impfstoff entwickelt, zum anderen in die Pharmasparte des Unternehmens Johnson und Johnson. Bei beiden Entwicklern ist man bereits in der letzten Studienphase, teilweise schon in einer laufenden Begutachtung durch die europäische Arzneimittelbehörde, und bei beiden wird eine Zulassung heuer im zweiten Quartal erwartet.