Mond
NASA Goddard
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Perioden

Rätselhafter Mond-Einfluss

Die Mondzyklen beeinflussen laut neuen Studien das Schlafverhalten sowie die Menstruationszyklen von Frauen. Im Detail sind die Ergebnisse rätselhaft: Spüren Menschen auch die Schwerkraftschwankungen des Mondes? Physiker halten das für ausgeschlossen.

Am Donnerstag ist Vollmond und die hellste Nacht des Jahres. Vermutlich kein Zufall, dass im Fachblatt „Science Advances“ just diese Woche zwei Arbeiten erschienen sind, die dem Einfluss des Mondes auf den Menschen nachgehen. Ein Team um den Biologen Horacio de la Iglesia von der University of Washington stieß auf Übereinstimmungen zwischen Mondphasen und Schlafverhalten: In den Tagen vor Vollmond gehen Menschen früher zu Bett und schlafen insgesamt kürzer, schreiben die Forscher in ihrer Studie, und zwar unabhängig vom kulturellen Hintergrund.

Uraltes Verhaltenserbe

De la Iglesia und sein Team haben dieses Muster nämlich sowohl bei Indigenen ohne Zugang zu Elektrizität aus Argentinien gefunden, wie auch bei Studenten und Studentinnen aus Seattle. Bei Letzteren sei der Zusammenhang – wohl durch den Einfluss von Kunstlicht – weniger ausgeprägt, vorhanden sei er dennoch.

Die Forscher vermuten, dass es sich hierbei um ein uraltes Erbe aus vorindustrieller Zeit handelt. „Zu bestimmten Zeiten des Monats ist der Mond eine signifikante abendliche Lichtquelle, und das ist unseren Vorfahren schon vor Tausenden von Jahren deutlich aufgefallen“, sagt Co-Autor Leandro Casiraghi von der University of Washington.

Zyklen: Mond und Menstruation

Ähnlich der Zusammenhang, auf den ein Team um die Neurobiologin Charlotte Förster von der Universität Würzburg gestoßen ist. Sie weist nach Auswertung von teils jahrzehntelang geführten Menstruationstagebüchern nach: Die Periode von Frauen synchronisiert sich mit den Mondphasen, sowohl bei Neu- als auch bei Vollmond. Das gilt vor allem für Frauen unter 35, sagt Förster.

Das im Rhythmus von 29,5 Tagen schwankende Mondlicht dürfte also die Menstruationszyklen zu einem gewissen Grad beeinflussen. Soweit ist die Sache nicht unplausibel. Die deutsche Neurobiologin ist aber noch auf einen anderen Zusammenhang gestoßen. Laut ihren Statistiken kommt es auch zu einer – schwächer ausgeprägten – Synchronisierung der Menstruation mit den Positionsschwankungen des Mondes, die etwas mehr als 27 Tage dauern. Auf der Erde machen sich diese durch kleine Änderungen der Gravitation bemerkbar. Wobei „bemerkbar“ in diesem Zusammenhang bereits ein problematischer Begriff ist. Die Gezeitenkräfte, die der Mond auf Menschen ausübt, sind derart winzig, dass eine Wahrnehmung ausgeschlossen werden kann.

Kritik: „Undenkbar“

„Das ist undenkbar“, sagt der Astronom Franz Kerschbaum von der Uni Wien. „Die Gezeiten sind sicher nicht relevant. Die differenziellen Gravitationswirkungen von lokalen Massen auf Menschen sind um Größenordnungen größer als vom Mond.“ Mit „lokalen Massen“ meint Kerschbaum etwa Berge, Häuser oder auch andere Menschen. Ihre Gezeitenkräfte, das zeigen auch Berechnungen von Astronomen des Pariser Observatoriums, sind tausend- bis hunderttausendfach größer als jene des Mondes.

Dass der Mensch die Schwerkraftschwankungen des Erdtrabanten unbewusst wahrnehmen könnte, hält Günther Wuchterl von der Kuffner Sternwarte ebenfalls für ausgeschlossen. Einen derartigen Einfluss zu postulieren sei „Naturromantik“, wissenschaftlich jedenfalls nicht haltbar.

Studienautorin Charlotte Förster sieht das durchaus ähnlich. „Die Gravitationsschwankungen können wir eigentlich nicht wahrnehmen. Aber der Zusammenhang ist da. Ich stehe vor einem Rätsel“, sagt die Neurobiologin im Gespräch mit dem ORF. Ihrer Ansicht nach könnte der Zusammenhang durch indirekte Effekte erklärt werden, etwa über den Luftdruck. Wenngleich auch in diesem Fall eine Argumentationslücke bestehen bleibt: Gibt es eine Verbindung zwischen der Position des Mondes und dem Luftdruck? Förster hält das zumindest für möglich.