Unglückliches Paar voneinander abgewandt
fizkes – stock.adobe.com
fizkes – stock.adobe.com
Trennungen

Sprache als Beziehungsbarometer

Wenn sich Paare demnächst trennen, zeigt sich das mitunter in ihrer Wortwahl. Ihre Sprache wird insgesamt persönlicher, informeller und das Wort „ich“ ist im Dauereinsatz. Das zeigt die Analyse von einer Million Forumsbeiträgen auf Reddit.

Frisch Verliebte tragen gern eine „rosarote Brille“, die Liebe kann „ein Schlachtfeld sein“, und Verlassene beklagen ihr „gebrochenes Herz“ – für große Gefühle wählen Dichter wie Normalsterbliche oft große Worte. Dabei dürften solche blumigen Umschreibungen und wortreiche Metaphern gar nicht so wichtig sein, wenn es darum geht, wie jemand wirklich empfindet. Der Gemütszustand spiegle sich vielmehr in unscheinbaren Füll- bzw. Funktionswörtern, wie Artikeln, Bindewörtern oder Pronomen, so James W. Pennebaker von der University of Texas in Austin, der seit ca. zwei Jahrzehnten den emotionalen Gehalt von Sprache systematisch und automatisiert untersucht.

Dabei zeigte sich, dass sich das menschliche Befinden recht verlässlich an dieser eigentlich inhaltsleeren Ebene ablesen lässt, z.B. ob jemand einsam ist oder körperlich leicht leidet. Das funktioniert laut dem US-Psychologe unter anderem deswegen so gut, weil man diesen Aspekt von Sprache nicht so leicht willentlich steuern kann. Besonders die Verwendung von Personalpronomen wie „ich“ oder „wir“ stellte sich in vergangenen Untersuchungen oft als aufschlussreich heraus. Unsichere Menschen oder solche mit sozialen Problemen sagen demnach sehr häufig „ich“. Auch an der Politikersprache lässt sich anhand von Pronomen einiges ablesen, wie das Pennebakers Team vor zwei Jahren getan hat.

Sprache verändert sich

Eine neue Analyse von Pennebakers Gruppe legt nun nahe, dass sich solche subtilen sprachlichen Hinweise sogar für eine Beziehungsprognose eignen. Das Team um Erstautorin Sarah Seraj hat für die soeben im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ erschienen Studie eine Million Forumsbeiträge auf der Social News-Plattform Reddit analysiert. Die Posts waren von 6.800 Reddit-Usern im Jahr vor und nach ihrer Trennung veröffentlicht worden, diese hatten sie ebenfalls über Reddit auf dem Subforum r/BreakUps bekanntgemacht.

Tatsächlich habe sich die Sprache – d.h. vor allem die Verwendung von Funktionswörtern – systematisch verändert, und zwar schon bis zu drei Monate vor der eigentlichen Trennung, schreiben die Autorinnen. Bis zu einem halben Jahr danach waren die Veränderungen noch nachweisbar. Ob jemand verlassen wurde oder selbst gegangen ist, spielte dabei keine Rolle. „Es sieht so aus, als würde die Trennung – lange bevor sich die Person dessen überhaupt bewusst ist – bereits ihr Leben beeinträchtigen“, meint Seraj in einer Aussendung.

Persönlicher und informeller

Generell wurde die Sprache subjektiver und informeller, auch bei gar nicht persönlichen oder emotionalen Themen und Beiträgen. Für die Forscherinnen ein Anzeichen dafür, dass den Männern und Frauen analytisches und rationales Denken gerade schwerfiel. Viele Möglichkeitsformen wie „würde“ oder „könnte“ sowie die häufige Verwendung von kausalen Verknüpfungen mit „weil“ oder „deswegen“ waren ein weiterer Hinweis darauf, dass die Betroffenen gerade einiges zu verarbeiten hatten.

Besonders oft kamen außerdem die Pronomen „ich“ und „wir“ zum Einsatz. Offenbar sind bald oder schon Getrennte sehr auf sich konzentriert, so Seraj: „Der häufige Gebrauch des Pronomens ‘ich‘ hängt manchmal auch mit Depressionen und Trauer zusammen. Niedergeschlagene Menschen sind sehr auf sich bezogen und weniger auf andere.“

Trennungen in Echtzeit

Rund um die Trennung selbst waren die strukturellen Veränderungen der Sprache am ausgeprägtesten. Bei einzelnen Nutzerinnen und Nutzern hatte sich die Sprache selbst ein Jahr nach der Trennung noch nicht „normalisiert“. Sie hielten sich auch immer noch häufig im Trennungsforum auf und beschäftigten sich dort wieder und wieder mit ihrem Beziehungsende. Das erschwere vermutlich den Heilungsprozess.

Was die Sprachanalyse so spannend macht, so die Autorinnen: Psychische Folgen von Lebenskrisen lassen sich gewissermaßen in Echtzeit beobachten. In diesem Fall machen sie unter anderem deutlich, dass Trennungen selten völlig aus dem Blauen kommen.