Virusvarianten ungleich verteilt

Ein noch sehr ungenaues Bild hinsichtlich der regionalen Verteilung der neuen SARS-CoV-2-Varianten in Österreich zeichnet sich für den Genetiker Andreas Bergthaler ab. Bisherige Daten zeigen ein Ost-West-Gefälle bei der sich anscheinend stark ausbreitenden „B.1.1.7“-Variante und große regionale Unterschiede. Sorge bereitet dem Forscher der Tiroler Cluster mit der Südafrika-Variante („B.1.351“).

Bergthaler, der auch in die Beratungen der Bundesregierung eingebunden ist, „versucht, Datensätze mit möglichst großer Probenanzahl“ und möglichst hoher Aussagekraft zusammenzutragen. Es handle sich hier durchwegs nicht um Stichproben, in denen von Haus aus viele vermutete Fälle mit den Varianten enthalten sind, und die daher zumindest auf regionale Verbreitungen gewisse Rückschlüsse erlauben, so der Wissenschaftler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Für Wien wisse man zumindest von einer Stichprobe, die einen Anteil von rund 15 Prozent unter einer Gruppe an positiv Getesteten aufwies. Ebenso bekannt ist der 17-Prozent-Anteil in einer Abwasserprobe im Jänner. Im Burgenland hat sich der B.1.1.7-Anteil unter den identifizierten SARS-CoV-2-Viren in den ersten vier Kalenderwochen laut kontinuierlichen Analysen der AGES von 1,7 auf 37 Prozent erhöht. Der markanteste Wert in Niederösterreich ist jener aus einer Kläranlagenprobe aus Bad Vöslau mit 71 Prozent unter den dort gefundenen SARS-CoV-2-Viren. Solche Abwasserproben erlauben einen gewissen Rückschluss auf die regionale Verbreitung des Virus in der Gesamtgesellschaft, aus einer aus positiv Getesteten gebildeten Stichprobe können Hinweise auf den Mutationsanteil unter den regional Infizierten abgeleitet werden.

Rasanter Anstieg befürchtet

In der Steiermark gebe es Hinweise auf einen Verbreitungsanteil der britischen Variante von rund einem Viertel. Insgesamt zeige vor allem die Kurve im Osten des Landes zuletzt stärker nach oben. Bergthaler: „Es spricht vieles dafür, dass die Zahlen rasant ansteigen“, sich also die B.1.1.7-Variante regional sehr rasch durchsetzt. Das lasse vermuten, dass „der bisherige Lockdown zwar funktioniert, aber nicht effektiv genug für Varianten mit erhöhter Infektiösität ist“, so Bergthaler auf Twitter.

In dieses Bild passt auch die bereits bekannte rapide Steigerung in Proben der Kläranlage Salzach-Pongau von null Prozent-Anteil am 18. Dezember auf 54 Prozent kurz nach dem Jahreswechsel. In Vorarlberg hingegen konnte in Abwasserproben bis dato nur einmal ein Hinweis auf B.1.1.7 entdeckt werden. Die Verbreitung wird demnach auf weniger als ein Prozent geschätzt.

Gerne würde Bergthaler mit einer Zahl für Österreich aufwarten, deren Veränderung man Woche für Woche ablesen und interpretieren könnte. „Leider ist das so noch nicht möglich, weil es einfach extrem heterogen ist“, so der Forscher zu der aktuell „fleckenhaften“ Datenlage. Das uneinheitliche Bild mit starker Tendenz nach oben kenne man aber auch aus anderen Ländern.

Ost-West-Gefälle

Deutlich anders stellt sich das Bild rund um das gehäufte Auftreten der Südafrika-Variante in Tirol dar. In einer Stichprobe von fast 500 positiv getesteten Personen ergab sich zuletzt ein B.1.1.7-Anteil von um die fünf Prozent, bei 15 Prozent „B.1351“. Das seien aber regionale Schlaglichter und sicher nicht auf jedes Eck in Tirol umlegbar. Dass die südafrikanische Variante dort stärker angekommen ist, würden aber auch weitere, aktuelle Proben zeigen, sagte Bergthaler: „Man sieht, diese Varianten sind in Tirol relativ häufig. Sonst sehen wir sie nur in Einzelfällen in Wien.“

Die Daten zur Verbreitung werden aktuell auch dezentral erhoben, was einerseits gut, aber in Sinne einer Zusammenführung zu einem einheitlichen Bericht natürlich eine Herausforderung ist. Eine zentrale Auswertung der unübersichtlichen Datenlage ist in Entwicklung, obwohl in dem Bereich gerade viel passiere, wie etwa die Etablierung der Möglichkeit des Eintragens von Varianten-Erstnachweisen im Erfassungssystem EMS.

Man befinde sich hier insgesamt in einen „Lernprozess“, so Bergthaler, der mit seinem Team pro Woche rund 400 Ganzgenomsequenzierungen zum Nachweis der Erreger-Entwicklung durchführt: „International sind wir da recht gut dabei.“ Dazu sequenziert ein Team um Ulrich Elling vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der ÖAW und Luisa Cochella vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) pro Woche das Erbgut des Spike-Proteins des Erregers bei rund 2.000 weiteren Proben. Damit lassen sich die Varianten im Hochdurchsatz sehr exakt identifizieren.