Junge Menschen/angehende Studenten und Studentinnen bei einer Aufnahmeprüfung auf eine Universität
APA/ERWIN SCHERIAU
APA/ERWIN SCHERIAU
UG-Novelle

Mindestleistung erst ab 2022

Die geplante Mindeststudienleistung für Studienanfänger wird deutlich abgeschwächt und erst ab dem Wintersemester 2022/23 eingeführt. Ab dann muss man in den ersten beiden Studienjahren mindestens 16 ECTS-Punkte in seinem Studium erbringen, sieht eine Novelle des Universitätsgesetzes (UG) vor.

Ursprünglich geplant waren zunächst 16 ECTS pro Jahr bzw. später im Begutachtungsentwurf 24 ECTS in zwei Jahren. „Diskurs ist nicht Zeitverschwendung und Kompromiss ist nicht Schwäche“, so Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Der Begutachtungsprozess der Novelle und Verhandlungen mit dem Koalitionspartner hätten nun dieses Ergebnis erbracht: 16 ECTS in zwei Jahren seien „verlangbar“: „Wir nehmen Rücksicht darauf, dass nicht alle gleich in voller Fahrt loslegen können.“

Auch die als Sanktion bei Nichterreichung vorgesehene Zehn-Jahres-Sperre für das betreffende Studium an der jeweiligen Uni wurde auf zwei Jahre verkürzt. Natürlich würden mit dem Kompromiss weder alle Studentenvertreter noch die Unis zufrieden sein, meinte die Grüne Wissenschaftssprecherin Eva Blimlinger. Aber: „Wenn beide Seiten nicht ganz zufrieden sind, haben wir das Beste gemacht.“ Die Änderungen sollen am Mittwoch den Ministerrat passieren.

Ein Bachelor-Studium umfasst im Regelfall 180 ECTS-Punkte. Bei einer Studienleistung von 16 ECTS alle zwei Jahre würde die Absolvierung in diesem Tempo 22,5 Jahre dauern.

Begrenzte Funktionsperioden

Weitere Änderungen gegenüber dem Begutachtungsentwurf: Rektoren dürfen künftig nur höchstens drei Funktionsperioden (also insgesamt zwölf Jahre) amtieren – dafür wurde die ursprünglich geplante Altersbeschränkung von 70 Jahren fallengelassen. Für die Senate wird eine Grenze von vier Funktionsperioden eingeführt. „Universitäten sind alte Tanker. Die muss man manchmal in den Sturm bringen, um sie zu bewegen“, meinte Blimlinger.

Die Senate dürfen außerdem auch weiter bei der ersten Wiederbestellung der Rektoren mitbestimmen. Im Begutachtungsentwurf war dies noch ausschließlich den Uniräten vorbehalten. Anders als im aktuellen UG soll es für die erste Wiederbestellung amtierender Rektoren aber nicht einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Senat und Unirat bedürfen, sondern jeweils nur einer einfachen Mehrheit.

Grafik zu Mindestanforderungen
APA

Anders als bisher geplant sind die Unis auch weiter verpflichtet, drei Prüfungstermine pro Semester anzubieten. Im Begutachtungsentwurf wären auch nur zwei Prüfungstermine zulässig gewesen. Etwas eingeschränkt werden die geplanten „Learning Agreements“. Diese umfassen konkrete Unterstützungen (z.B. bevorzugte Aufnahme in Lehrveranstaltungen mit beschränkter Teilnehmerzahl oder Rückerstattung von Studiengebühren) der Uni im Austausch gegen zu erbringende Studienleistungen. Sie sollen nun erst ab 120 erreichten ECTS-Punkten geschlossen werden können – im Begutachtungsentwurf waren es noch 100 gewesen. Voraussetzung ist außerdem vorhergehende Prüfungsinaktivität.

Kettenverträge neu

Neu geregelt werden auch die umstrittenen Kettenverträge, also die im UG zulässige mehrmalige Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverträgen. Wie bisher dürfen befristete Arbeitsverhältnisse höchstens auf sechs Jahre abgeschlossen werden. Anschließend darf höchstens zweimal verlängert bzw. ein neuer befristeter Vertrag geschlossen werden. Die Höchstdauer aller befristeten Verträge zusammen darf aber insgesamt acht Jahre nicht übersteigen. Von diesen Regeln gibt es aber (entweder bei der Dauer der Befristung oder der Zahl der möglichen Verlängerungen) wieder zahlreiche Ausnahmen – etwa für studentische Mitarbeiter, Doktoranden, Mitarbeiter in Drittmittelprojekten, Lektoren und Karenzvertretungen.

Auch die Plagiatsaffäre um Ex-Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) hinterlässt Spuren: Nach den Unis wird auch Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und Privatunis explizit ins Gesetz geschrieben, dass sie die „gute wissenschaftliche Praxis und akademische Integrität“ sicherstellen müssen. Außerdem wird die geplante Verjährung von Plagiaten nach 30 Jahren fallengelassen.

Keine Schikane

Bei der nun vorgeschriebenen Mindeststudienleistung stört den Vizepräsidenten der Universitätenkonferenz (uniko), Oliver Vitouch, gegenüber der APA der „Spin, dass es uns da um Schikanen oder Hürden geht – uns geht es darum, dass mehr Studien erfolgreich fortgeführt werden sollen“. Bei den Instrumenten dafür hätte sich die uniko mehr erwartet. „16 ECTS-Punkte in zwei Jahren ist die kleinste denkbare Dosis, das ist zu einer homöopathischen Größe geschrumpft.“ Viel sei da nicht mehr übrig: „Aber wir nehmen den Willen fürs Werk. Es ist symbolisch gut, dass es enthalten ist.“

Bei den Kettenverträgen ortete Vitouch Verbesserungen gegenüber dem Status quo: Bei dieser Frage gebe es aber „keinen Stein der Weisen“: „Viele tun so, als ob es eine Lösung gäbe, die alle Seiten befriedigt.“ Dem sei aber nicht so. „Je mehr Leute auf eine unbefristete und de facto schwer kündbare Stelle kommen, desto größer die Gefahr der Versteinerung und desto geringer die Chancen für nachfolgende Generationen, auch nur eine befristete Stelle zu bekommen.“

Zu viele Regeln

Mehr gewünscht hätte sich die uniko bei der Entpolitisierung der Uniräte: Natürlich sei eine Begründungspflicht für die Beschickung erfreulich. „Papier ist halt sehr geduldig“, meinte Vitouch. Ob die Begründungspflicht zu sachlicheren Besetzungen führe, würden erst die Taten weisen. Sehr positiv seien die erstmaligen Strafbestimmungen für das Ghostwriting und schärfere Plagiatsregeln. Damit habe man verdeutlicht, dass beides keine Kavaliersdelikte seien.

Bei kommenden Novellen müsse man die Regelungsdichte zurückdrängen. „Das verträgt sich nicht mehr wirklich mit der Autonomie“, so Vitouch. Das IST-Austria-Gesetz umfasse 17 Paragraphen, während das Universitätsgesetz mittlerweile mit sämtlichen Einfügungen auf über 180 komme.

ÖH zufrieden

„Definitiv zufrieden“ mit dem Ergebnis ist die Vorsitzende der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH), Sabine Hanger. Vor allem das Aufrechterhalten der vorgeschriebenen mindestens drei Prüfungstermine wertete die Obfrau der VP-nahen AktionsGemeinschaft (AG) in einer Aussendung als Erfolg. Anders dagegen die linken ÖH-Fraktionen, die die Mehrheit in der ÖH-Bundesvertretung stellen: Der Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) und die Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS) lehnen Mindeststudienleistungen generell ab – beide konzedierten aber zumindest eine „leichte Abschwächung“ (VSStÖ) bzw. „Verbesserungen“ (GRAS) gegenüber den bisherigen Plänen.

Die SPÖ fordert weiter eine komplette Rücknahme der Novelle. Die nun präsentierten Änderungen seien nur „eine Rücknahme von bewussten Provokationen“, so Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl in einer Aussendung. Für ihr NEOS-Pendant Martina Künsberg Sarre ist die Mindeststudienleistung nur eine „Scheinlösung“. Es sei weiter unklar, wie viele Personen derzeit unter diese Grenze fallen würden. FPÖ-Wissenschaftssprecher Martin Graf monierte, dass Faßmann lediglich „den Wünschen von universitären Lobbying-Gruppen folgt und weiterhin die bislang gut implementierte UG-Reform 2002 verwässert“.