„Kollateralschäden“ bei Suchtbehandlung

Die Maßnahmen zur Eindämmung der CoV-Pandemie haben bei der Suchtbehandlung- und -Prävention in Österreich zu „Kollateralschäden“ geführt. Zu diesem Schluss kommt eine am Mittwoch präsentierte Studie der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) im Auftrag der Stiftung Anton Proksch Institut Wien.

Die Studie, für die neun Sucht- und Drogenkoordinatoren der Bundesländer interviewt wurden, analysiert die Auswirkungen des ersten Lockdowns in Österreich. Hier zeigte sich, dass besonders das Social Distancing für die Behandlung vor allem von Klienten mit chronischen Suchterkrankungen ein großes Problem war. Die Versorgung erfordert eine langfristige, vertrauensvolle und kontaktintensive Betreuung – genau diese wurde durch die Maßnahmen erschwert, wie Studienautor Julian Strizek bei einem Online-Hintergrund-Gespräch erklärte. Auch Erstkontakte litten stark darunter.

In sechs Bundesländern kam es zudem vorübergehend zu einer zumindest teilweisen Schließung stationärer Behandlungsangebote. „Wir verzeichneten im April und März einen Einbruch an stationären Behandlungen“, sagte Strizek. Vor allem neue Patienten konnten so eine etwaige Therapie nicht antreten. Ob die Betroffenen dies nach dem ersten Lockdown nachgeholt haben, ist noch unklar.

Langfristige Folgen unklar

Für die Behandelnden bedeutete die Krise eine vermehrte Umstellung auf E-Health. Einen Trend dazu habe es zwar bereits vor der Pandemie gegeben, die Coronakrise habe dies aber „extrem beschleunigt“, sagte der Psychologe Alfred Uhl. In vielen ambulanten Suchthilfeeinrichtungen wurde versucht, Klienten per Internet oder Telefon zu beraten. Dies stellt aber Uhl zufolge oft keinen vollwertigen Ersatz des persönlichen Kontaktes dar. Weitgehend ungeklärt ist auch die Frage des Datenschutzes.

Die langfristigen Auswirkungen der CoV-Krise auf Suchtbehandlungen sind noch nicht in vollem Umfang absehbar. Es ist der Studie zufolge aber zu befürchten, dass sich das volle Ausmaß der Krisenauswirkungen erst mit Auslaufen der aktuellen Unterstützungsmaßnahmen – etwa der Kurzarbeit – zeigen wird. „Da Suchtverhalten und soziale Probleme häufig miteinander einhergehen, könnten längerfristig die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der CoV-Pandemie Süchtige stärker treffen als andere Personengruppen“, sagte Martin Busch von der GÖG. Umso wichtiger sei es, die Lücke zwischen Behandlungsnachfrage und -angebot nicht noch weiter zu vergrößern.

Eigene Aufnahmestation

Wie die Versorgung von Suchtpatienten während der Pandemie aussehen kann, zeigte das Anton Proksch Institut mit der Schaffung einer eigenen Covid-19-Aufnahmestation. „Die Behandlung einer Suchtkrankheit ist kein elektiver Eingriff. Der richtige Zeitpunkt ist entscheidend für den Therapieerfolg und lässt sich nicht beliebig nach vorne und nach hinten verschieben“, betonte Gabriele Gottwald-Nathaniel, Geschäftsführerin des Anton Proksch Instituts.

Die Aufnahmestation ist weiter geöffnet – hier werden neue Patienten fünf bis sieben Tage lang isoliert. Erst nach zwei negativen PCR-Tests (am Aufnahmetag und am fünften Tag) werden sie in den Therapiebereich verlegt. „So kann der Betrieb im Haus durchgehend aufrechterhalten werden“, meinte Wolfgang Preinsperger, interimistischer ärztlicher Leiter des Anton Proksch Instituts.