Künstlerische Darstellung: Mammuts in Sibirien
Beth Zaiken/Centre for Palaeogenetics
Beth Zaiken/Centre for Palaeogenetics
Mammuts

Die älteste DNA der Welt

Bis zu 1,65 Millionen Jahre alt ist die DNA, die schwedische Genetiker nun aus den Zähnen von Mammuts gewonnen haben. Der Rekordfund im sibirischen Permafrost weckt Hoffnungen: Könnte man ähnlich alte DNA von Urmenschen rekonstruieren? Die Forscher halten das für möglich.

„Als wären wir mit einer Zeitmaschine unterwegs gewesen.“ So beschreibt Studienautor Love Dalén seine jüngste Publikation im Fachblatt „Nature“. Um im Bild des schwedischen Paläogenetikers zu bleiben: Er und sein Team haben sich ins Pleistozän begeben, in jene Zeit, als Afrika noch von Säbelzahnkatzen, Riesenhirschen und Rindergiraffen besiedelt war. Und die nördlichen Kontinente von riesigen Rüsseltieren, den Mammuts.

Zähne von drei unterschiedlichen Mammutarten haben die Forscher um Dalén jetzt unter die Lupe genommen, entdeckt wurden die Überreste bereits in den 1970ern vom russischen Paläontologen Andrei Sher. Bisher hatte freilich kaum jemand damit gerechnet, dass sich aus den Fundstücken, die in der Moskauer Akademie der Wissenschaften aufbewahrt worden waren, auch nennenswerte Reste von DNA gewinnen lassen könnten. Das Erbmolekül hält nicht ewig, selbst unter guten Bedingungen sollte es spätestens nach ein paar Hunderttausend Jahren zerfallen sein.

Im Permafrost konserviert

Doch in diesem Fall blieb durch die konservierende Wirkung des Permafrostes genug übrig, um damit Verwandtschaftsanalysen durchführen zu können. Die älteste Erbgutstücke stammen vom sogenannten Krestowka-Mammut und sind laut molekularbiologischen Befunden 1,65 Millionen Jahre alt, die Geologie indes weist auf ein Alter von 1,2 Millionen Jahren hin. Das ist ein Widerspruch, den die Forscher noch nicht mit Sicherheit auflösen können, für einen Rekord reicht das Ergebnis jedenfalls allemal: Denn die bisher ältesten Stücke DNA – sie stammen von einem Urpferd – sind höchstens 700.000 Jahre alt.

Love Dalén und Patrícia Pečnerová mit einem Mammutstoßzahn
Gleb Danilov
Studienautoren Love Dalén und Patrícia Pečnerová auf der sibirischen Wrangelinsel

Dass dies nun möglich war, hat auch mit den Fortschritten in der Methodik zu tun. Wenn bloß DNA-Fragmente übrig sind, helfen heutzutage Computeralgorithmen, um das große Ganze wieder herzustellen: „Man kann sich das wie bei einem gigantischen Puzzle vorstellen“, sagt Co-Autor Tom van der Valk. „Wir haben Milliarden von kleinen Bruchstücken zusammengefügt.“ Um zu überprüfen, ob die Rekonstruktion korrekt war, bedienten sich die Forscher unter anderem bei der DNA des Asiatischen und des Afrikanischen Elefanten.

Präriemammut: Ein Hybrid

Einsichten brachte auch ein Vergleich innerhalb der Gruppe ausgestorbener Rüsseltiere: Laut den Analysen gibt es neben der bisher bekannten Abstammungslinie zwischen Steppen- und Wollmammut noch einen weiteren, bisher unbekannten Stammbaumast. Dieser weist dem ikonischen Präriemammut – vollständige Skelette sind etwa im Prähistorischen Museum in Utah ausgestellt – nun eine überraschende Identität zu: Das Präriemammut war offenbar ein Hybrid, eine Mischform zwischen zwei unterschiedlichen Arten.

Die für die Eiszeitfauna typischen Anpassungen an die Kälte sind laut Genvergleichen nicht erst beim Wollmammut entstanden, sondern deutlich früher als gedacht. Soweit die an die Fachwissenschaft gerichteten Befunde. Bedeutsam ist die Studie wohl auch abseits dessen, da sie das Tor aufstößt zur Tiefenzeit der Naturgeschichte und allerlei spektakuläre Folgestudien möglich erscheinen lässt.

„2,5 Mio. Jahre wären möglich“

Dalén versucht etwa gerade anhand genetischer Daten herauszufinden, warum die Population der Wollmammuts vor 10.000 zu schrumpfen begann, bis ihre letzten Reste vor 4.000 Jahren auf der ostsibirischen Wrangelinsel endgültig verschwanden. Perspektiven öffnen sich auch am anderen Ende der Zeitskala. Die schwedischen Forscher halten es für möglich, dass man mit den zur Verfügung stehenden Methoden bis zu 2,5 Millionen Jahre in die Vergangenheit wird blicken können. Dann ist allerdings Schluss, wie Dalén betont. „Davor war es in Sibirien zu warm“.

Bei einem Press Briefing der Zeitschrift „Nature“ Anfang der Woche wurde diskutiert, ob auch die Anthropologen von den nun präsentierten Fortschritten profitieren könnten. Nachdem der tauende Permafrost immer mehr Fundstücke freigibt, sei es denkbar, „dass wir in den nächsten Jahren auch auf Knochen von Homo erectus stoßen“, sagt Dalén. Zeitreisen ins frühe Pleistozän mit Hilfe menschlicher DNA wären also möglich. Das bisher älteste sequenzierte Erbgut eines Menschenvorfahren ist rund 430.000 Jahre alt.