Chemie

Aufbau von exotischem Eis geklärt

Wenn Wasser unter normalen Bedingungen friert, entsteht Eis. Es waren bisher aber auch 17 weitere Erscheinungsformen von Eis bekannt, die sich erst unter besonderen Umständen zeigen, etwa unter hohem Druck. Innsbrucker Forscher haben nun die Struktur von „Eis XIX“ geklärt.

Die bisher 18 bekannten kristallinen Formen von Eis haben sehr unterschiedliche Eigenschaften. So unterscheiden sich die Schmelzpunkte um mehrere hundert Grad Celsius. Der Chemiker Thomas Lörting vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Innsbruck vergleicht das in einer Aussendung mit Diamanten und Grafit, die beide aus reinem Kohlenstoff bestehen, sich aber in ihren Eigenschaften stark unterscheiden.

Schmilzt unter hohem Druck erst bei hohen Temperaturen

Viele Varianten von Wassereis entstehen in den Weiten des Weltalls, wo es besondere Druck- und Temperaturverhältnisse gibt. So konnten „Eis VI“ und andere Erscheinungsformen etwa unter den hunderte Kilometer dicken Eisschichten des Jupitermondes Ganymed indirekt nachgewiesen werden. „Eis VI“ und „Eis VII“ wurden aber auch in Einschlüssen in Diamanten entdeckt. Zudem konnten zahlreiche verschiedene Eisvarianten in Forschungslaboren nachgewiesen werden – seit den 1980er Jahren alleine sechs an der Uni Innsbruck.

In ihrer aktuellen, im Fachjournal „Nature Communications“ erschienenen Arbeit haben die Innsbrucker Chemiker die Mutterform „Eis VI“ behandelt, die bei höherem Druck entsteht, zum Beispiel im Erdmantel. Dass man dort trotz hoher Temperaturen Eis findet, ist den besonderen Eigenschaften dieser Eisvarianten geschuldet: Im Gegensatz zu „gewöhnlichem“ Eis steigt bei einigen Erscheinungsformen der Schmelzpunkt mit steigendem Druck. So schmilzt „Eis VI“ bei einem Druck von zwei Gigapascal erst bei rund 80 Grad Celsius, „Eis VII“ bei einem Druck von zehn Gigapascal erst bei 330 Grad Celsius, erklärte Lörting gegenüber der APA.

Kristallstruktur geklärt

Bei „Eis VI“ sind die Sauerstoffatome – ähnlich wie bei gewöhnlichem „Eis I“ – geordnet, die Wasserstoffatome allerdings nicht. Vor zwölf Jahren gelang es Forschern der Uni Innsbruck eine Variante dieses Eises zu erzeugen, bei dem auch die Wasserstoffatome geordnet sind – in die Lehrbücher fand es als „Eis XV“ Eingang.

Mit einer Änderung des Herstellungsprozesses – ein deutlich verlangsamter Abkühlprozess und eine Erhöhung des Drucks auf 20 Kilobar – ist es dem Team um Lörting vor drei Jahren erstmals gelungen, mit „Eis XIX“ eine zweite Variante von „Eis VI“ zu erzeugen, bei der die Wasserstoffatome anders als bei „Eis XV“ angeordnet sind. Allerdings konnten sie damals die Kristallstruktur der neuen Variante noch nicht aufklären.

Das ist nun Tobias Gasser aus dem Team Lörtings mit Hilfe der Neutronenbeugung gelungen. Weil sich dabei der Aufenthaltsort des „normalen“ Wasserstoffs kaum bestimmen lässt, muss dieser durch Deuterium („schwerer Wasserstoff“) ersetzt werden. Dabei verändert sich allerdings auch das Verhalten im Herstellungsprozess des Eises. Doch mit Tricks und in mühevoller Kleinarbeit konnten die Forscher nun die Kristallstruktur von „Eis XIX“ identifizieren.

Eine japanische Forschungsgruppe bestätigte in einem weiteren Experiment das Innsbrucker Ergebnis. „Eis XV“ und „Eis XIX“ stellt das erste Geschwisterpaar dar, bei dem das Sauerstoffgitter gleich ist, aber die Wasserstoffatome unterschiedlich angeordnet sind.