Mann schläft im Bett
Artem Peretiatko/adobe stock
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Neurowissenschaft

Träumer beantworten Fragen im Schlaf

Im Traum ist man zwar in einer anderen Welt, aber anscheinend trotzdem ansprechbar. Wie Experimente zeigen, reagieren manche Menschen auch im Schlaf auf Fragen und können sogar Antworten geben und einfache Aufgaben lösen – entstanden ist somit eine Art Livebericht aus der Traumwelt.

Wir verreisen an unbekannte Orte, treffen Menschen, die wir noch nie gesehen haben oder die längst tot sind, und manchmal können wir sogar fliegen. Im Schlaf taucht man ein in eine völlig andere Welt, auch wenn die echte mitunter ihre Spuren hinterlässt. Das passiert derzeit beispielsweise unter dem Eindruck der CoV-Pandemie häufig: Krankheitsängste werden bei manchen zu Alpträumen und andere berichten von belastenden Situationen in überfüllten Räumen, in denen ihnen Menschen viel zu nahe kommen.

Auch wenn das darauf hindeutet, dass wir im Schlaf Erlebnisse des alltäglichen Lebens ein- und so vielleicht verarbeiten – ist das nur eine von vielen Theorien rund um das Träumen. Vielleicht hilft es uns vielmehr beim Lernen oder bereitet uns auf neue Situationen vor. Letztlich sind viele Fragen noch immer offen. Fest steht nur, dass jeder Mensch träumt, egal ob er oder sie sich erinnert oder nicht. Aber wie die Bilder entstehen und welchen Nutzen das Ganze hat, weiß man nicht wirklich.

Es sei auch deswegen so schwierig, Träume zu untersuchen, weil man nicht so leicht Einsicht in die Traumwelt bekommt, schreiben die Forscher um Karen R. Konkoly von der Northwestern University in ihrer soeben im Fachjournal „Current Biology“ erschienenen Studie. Traumberichte sind meist sehr wirr und fragmentarisch, die Erinnerungen daran höchst flüchtig. Könnte man mit dem Träumer in Echtzeit kommunizieren, ließe sich womöglich Genaueres erfahren. Das könnte die wissenschaftliche Untersuchung nächtlicher Erfahrungen entscheidend voranbringen, heißt es in der Studie.

Livebericht aus der Traumwelt

Im Mittelpunkt vieler Untersuchungen zum Traumgeschehen standen bisher Hirnstrommessungen während der REM-Phase – also in jener Schlafphase, in der am heftigsten geträumt wird. Welche Inhalte mit welchen Aktivitätsmustern zusammenhängen, versuchte man durch anschließende Befragungen im Wachzustand herauszufinden. Was Konkoly und Co. aber nun vorschwebte, war eine Art Livebericht aus der Traumwelt. Zu Hilfe kommen sollte ihnen dabei eine eher seltene Fähigkeit, nämlich die des Klarträumens. Gemeint ist ein Zustand, in dem man weiß, dass man träumt. Ab und zu kann das bei jedem oder jeder mal vorkommen, aber nur wenige Menschen haben regelmäßig solche luziden Träume; manche erlernen sogar, aktiv in die Handlung einzugreifen.

Proband im Schlaflabor und Hirnströme
Karen Konkoly
Proband im Schlaflabor und Hirnströme

Insgesamt vier Teams in vier Ländern (Frankreich, Deutschland, Niederlande, USA) haben für die Studie nun im Schlaflabor Experimente mit 36 Personen durchgeführt. Einer, ein 20-jähriger Franzose, hatte Narkolepsie und zudem häufig Klarträume, von den anderen hatten manche bereits viele Erfahrungen mit luzidem Träumen, andere kaum, sie wurden aber vor den Experimenten dahingehend trainiert. Anhand der Gehirnströme konnten die Forscher erkennen, wann die Versuchspersonen träumen. Diese signalisierten außerdem selbst, wenn sie klarträumten. Anschließend versuchte man die Probanden, auf unterschiedliche Weise zu erreichen: durch Worte, Piepsen, Licht oder Berührungen. Die Reaktionen bzw. Antworten erfolgten in Form bestimmter Bewegungen der Augen oder der Gesichtsmuskeln.

Geglückte Dialoge

Laut den Forscherinnen und Forschern ist die wechselseitige Kommunikation in allen drei Personengruppen geglückt, zu Nachtzeiten genauso wie bei Tagesschläfchen. Dabei mussten die Teilnehmer beispielsweise einfache Rechenbeispiele lösen, etwa „8 minus 6“ – die richtige Antwort wurde von einem zuvor ungeübten Klarträumer mit zwei deutlichen Augenbewegungen von links nach rechts signalisiert. Auch auf Ja/Nein-Fragen antworteten manche Probanden ganz korrekt, so etwa der französische Narkolepsie-Patient, der laut Studie insgesamt erstaunlich war. Bei einem nur 20-minütigen Nickerchen am Tag war er nach einer Minute in der REM-Phase. Fünf Minuten später signalisierte er bereits, dass er nun klarträume. Ja/Nein-Antworten gab er mit den Gesichtsmuskeln.

Insgesamt zählte das Team 158 Interaktionen, die Antworten waren immerhin in etwa einem Fünftel der Fälle korrekt. Nach der Schlafphase konnten sich noch einige Versuchspersonen erinnern, dass sie im Traum befragt wurden. Manche hatten dabei den Eindruck, die Fragen kämen tatsächlich von irgendwo außerhalb. Andere berichteten, dass der Austausch in den Traum eingebaut wurde.

Früher dachte man, dass Menschen im Schlaf völlig selbstvergessen sind und die Sinne komplett heruntergefahren, sodass fast nichts zu ihnen durchdringt, schreiben die Studienautoren. Nun zeigt sich, dass sie sogar ansprechbar sind und man – zumindest eingeschränkt – mit ihnen sprechen kann. Das interaktive Träumen eröffne völlig neue Möglichkeiten, Träume zu erforschen. Auch ein praktischer Nutzen wäre denkbar, so das Team: Vielleicht hilft die Methode dabei, etwas Neues im Schlaf zu lernen oder bestimmte Fertigkeiten zu trainieren. Der Dialog im Traum könnte aber auch die Kreativität fördern oder der Bekämpfung von Alpträumen dienen.