Menschen tanzen vor der Akropolis in Athen
AFP – ANGELOS TZORTZINIS
AFP – ANGELOS TZORTZINIS
Erinnerung

Mit antiker Methode das Gedächtnis verbessern

Regelmäßiges Gehirntraining verbessert nicht nur die kurze Merkfähigkeit, sondern auch das Langzeitgedächtnis – und zwar mit einer Methode, die schon im antiken Griechenland bekannt war. Diese „Gedächtnispalast"-Methode haben nun Psychologinnen und Psychologen untersucht.

Wer kennt das nicht? Nach der Arbeit hetzt man gestresst in den Supermarkt, wirft schnell alles Mögliche in den Einkaufswagen, nur um dann zu Hause daraufzukommen, dass man die Hälfte vergessen hat. Ein Hirn wie ein Nudelsieb – ein Gedanke, der vielen wohl in dieser Situation durch den Kopf schießt.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 4.3., 13:55 Uhr.

Die gute Nachricht: Das Langzeitgedächtnis lässt sich trainieren – und zwar mit der seit der Antike bekannten Methode des Gedächtnispalastes. Die Psychologin Isabella Wagner von der Universität Wien nennt ein Beispiel: „Versetzen Sie sich gedanklich einfach in ihre Wohnung. Nun rufen Sie in jedem Zimmer ein Bild vor Ihrem geistigen Auge hervor, das mit einem Punkt auf Ihrer Einkaufsliste verknüpft ist. Also im Vorzimmer steht etwa eine Kuh. Dann wissen Sie, dass Sie Milch besorgen müssen. In der Küche öffnet gerade ein Bäcker den Ofen. Sie erinnern sich also an das Brot, das Sie besorgen wollten. Und schließlich laufen im Schlafzimmer Hühner im Bett herum. Sofort fallen Ihnen die Eier ein.“ Je bizarrer das Bild, desto besser merken wir uns die Dinge, sagt die Psychologin.

Aus Alt mach Neu

Dabei hilft es unserem Gehirn, dass wir Vertrautes mit Neuem verknüpfen, also etwa die eigene Wohnung oder den Arbeitsweg mit den zu erinnernden Produkten (siehe Video unten). „Und wenn dann noch mentale Bilder im Kopf erzeugt werden, kann man schneller auf das Gelernte zurückgreifen."

Gedächtnistrainingspfad durch Wien

Isabella Wagner hat sich mit einem Team aus Psychologinnen, Neurowissenschaftlern und Medizinerinnen die Mechanismen des Langzeitgedächtnisses genauer angesehen und die Ergebnisse soeben im Magazin „Science“ veröffentlicht. Für die Studie wurden 50 Probandinnen und Probanden im Alter zwischen 18 und 35 Jahren über einen Zeitraum von sechs Wochen begleitet. Die eine Gruppe führte regelmäßig ein Gedächtnistraining durch, die andere nicht. Anschließend wurden alle Teilnehmer getestet.

Das Resultat: Jene Gruppe, die regelmäßig den Denkapparat auf Trab gehalten hat, schnitt viel besser ab – und zwar schon nach kurzer Zeit. „Sie haben sich mehr merken und auch länger an die Dinge erinnern können.“ Dabei stießen die Studienautoren auch auf ein zunächst überraschendes Ergebnis. „Bei den Probanden mit Gedächtnistraining waren Gehirnregionen, die normalerweise beim Langzeitgedächtnis eine große Rolle spielen, wie etwa der mediale Temporallappen, weniger aktiv. Gleichzeitig haben sie aber eine bessere Leistung erbracht.“ Das sei wie beim Sport. Trainiert man regelmäßig einen Körperteil, wird die Bewegung zur Gewohnheit und auf Dauer auch weniger anstrengend.

Übung macht den Meister

Die Forscherinnen und Forscher interessierte nun auch, ob sich der Aufbau des Gehirns durch langes und regelmäßiges Gedächtnistraining verändert. Dafür verglichen sie die Denkapparate der 50 Probanden mit jenen von 17 Gedächtnisakrobaten, also Menschen, die regelmäßig an Denksportweltmeisterschaften teilnehmen.

„Dabei konnten wir keine wesentlichen Unterschiede in der Struktur der Gehirne feststellen“, schildert Wagner. Natürlich funktioniere das Gedächtnis nach jahrelangem Training besser. „Übung macht den Meister, aber kleine Erfolge lassen sich schon nach kurzer Zeit im täglichen Leben erreichen.“

Gedächtnistraining hilft bei Demenz und im Lockdown

Das Langzeitgedächtnis wird auch bei Demenz-Erkrankungen wie Alzheimer angegriffen. Regelmäßiges Gehirnjogging könne neurodegenerative Leiden zwar nicht ganz verhindern, sie aber auf jeden Fall verzögern oder verlangsamen, meint die Psychologin. Genauso wichtig seien körperliche Bewegung und soziale Kontakte.

Letztere werden nun in Zeiten von Lockdown und Ausgangssperren stark eingeschränkt. „Soziale Kontakte sind wirklich sehr wichtig für das Gedächtnis. Das wissen wir aus Tierstudien mit Mäusen oder Ratten. Wenn die sozial isoliert werden, dann wirkt sich das negativ auf ihr Gedächtnis aus.“ Auch hier könne Gedächtnistraining sehr nützlich sein. „Dadurch bleibt man mental aktiv, lenkt sich ab und tut auch gleichzeitig noch seinem medialen Temporallappen etwas Gutes."