Eine akademische Mutter mit Baby
Syda Productions – stock.adobe.com
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Frauentag

Warum Frauen seltener publizieren

Frauen veröffentlichen weniger wissenschaftliche Artikel als Männer. Laut einer neuen Studie liegt das in erster Linie an der Zeit, in der sie Mütter werden. Statt Artikel schreiben ist dann Kinderbetreuung angesagt. Bei Männern ist das viel weniger der Fall – die akademische Produktivität von Jungvätern nimmt kaum ab.

Frauen haben Männer auf den unteren Hierarchieebenen der Hochschulen heute in vielen Ländern schon überholt. Mehr von ihnen beginnen ein Studium und schließen eines ab, so auch in Österreich. Je weiter oben in der Hierarchie, desto dünner wird aber die Luft für sie. Der Frauenanteil beim Lehrpersonal liegt hierzulande bei rund 40 Prozent, bei den Professuren bei rund 25 Prozent, wie der Gender Index 2019 zeigt.

Dazu kommt ein „publication gender gap“, wie es auf Englisch so schön knapp heißt. Männer publizieren mehr als Frauen, gleichgültig ob einzelne Studien in den Naturwissenschaften oder Bücher in den Sozial- und Geisteswissenschaften. Die Ursachen dafür sind zahlreich, so engagieren sich Frauen oft mehr in der Lehre als in der Forschung, kümmern sich mehr um Verwaltungsaufgaben und tragen im Privatleben eine höhere Last – sprich Elternschaft spielt bei ihnen eine größere Rolle. Das hat nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie gezeigt, in der sich der „publication gender gap“, laut Studien noch einmal verstärkt hat. Der „Faktor Familie“ scheint auch im akademischen Home-Office zugeschlagen zu haben.

3.000 Forscher/innen, 100.000 Veröffentlichungen

Diesen Zusammenhang methodisch zu untersuchen, ist aber gar nicht so einfach, schreibt nun ein Team um die Computerwissenschaftlerin Allison Morgan von der University of Colorado in einer Studie, die vor Kurzem im Fachmagazin „Science Advances“ erschienen ist. Die Forscherinnen und Forscher haben deshalb zwei Datensätze miteinander verknüpft, die noch vor Covid-19 entstanden sind. Zum einen die Auswertung von über 3.000 Fragebögen, die von Laufbahnstellen-Professorinnen und -Professoren („tenure track“) ausgefüllt worden waren.

Sie kamen von 450 Instituten US-amerikanischer und kanadischer Universitäten aus den Bereichen Computerwissenschaft, Geschichte und Ökonomie – mit entsprechend unterschiedlichem Frauenanteil (15 Prozent in der IT, 37 Prozent in Geschichte). Ihr Durchschnittsalter betrug 40 Jahre, rund 80 Prozent von ihnen hatten Kinder. Der andere Datensatz betraf das Publikationsverhalten dieser 3.000 Forscherinnen und Forschern, die es insgesamt auf die stolze Summe von über 100.000 Veröffentlichungen brachten.

Mütter publizieren ein Viertel weniger als Väter

In Kombination dieser beiden Datensätze zeigte sich der „publication gender gap“. Bei Kinderlosen war er noch relativ gering: Frauen veröffentlichten in dieser Gruppe rund zehn Prozent weniger Artikel als Männer. Bei Müttern und Vätern war der Unterschied deutlich größer: Akademiker-Mütter publizierten rund ein Viertel weniger Artikel als Akademiker-Väter. Am stärksten wirkte sich Mutterschaft in den ersten Jahren nach der Geburt der Kinder aus, von den drei untersuchten Disziplinen war die Computerwissenschaft jene mit dem größten „gap“.

Langsam, aber sicher scheint sich aber etwas zu ändern. Während Mütter, die vor dem Jahr 2000 ihr erstes Kind bekamen, bis zu 40 Prozent weniger veröffentlichten als im gleichen Zeitraum Vater Gewordene, nähern sich die Werte seit der Jahrtausendwende an. In den Wirtschaftswissenschaften haben akademische Mütter die Väter in der Produktivität zehn Jahre nach der ersten Geburt mittlerweile sogar überholt.

Ob dieser Trend daran liegt, dass sich die Frauen noch stärker selbst ausbeuten oder ob ihre Partner mehr Verantwortung im Haushalt übernommen haben, lässt sich aufgrund der Studie nicht sagen. Fakt ist aber, dass die nordamerikanischen Universitäten zunehmend bezahlte Elternkarenzen anbieten und diese auch stark genutzt werden – freilich überwiegend von Frauen.

Maßnahmen für mehr Gleichstellung

Bleibt die Frage, wie nachhaltig sich der Backlash durch Covid-19 auswirken wird. Das ist naturgemäß noch unklar. Sicher ist, dass bestimmte Maßnahmen für mehr Gleichstellung zwischen Männern und Frauen an Hochschulen sorgen könnten, nicht nur was ihren Publikationsoutput betrifft, sondern allgemein. In einem parallel zur Studie erschienenen Begleitartikel werden konkrete Vorschläge gemacht wie: mehr Karenzmöglichkeiten, transparente und gleiche Bezahlung, längere Laufbahnstellen, mehr Teamarbeit, Uni-Kindergärten und virtuelle Meetings.

Auf Österreich eher nicht übertragbar

Ob die Ergebnisse der US-Studie auch auf andere Länder übertragbar sind, ist fraglich. „Für Österreich sind mir keine Studien bekannt“, sagt der Wissenschaftsforscher Gerhard Fröhlich von der Universität Linz. Eine Studie aus Deutschland zeige aber klare Unterschiede zu Nordamerika.

Das beginnt schon bei der Quote der Elternschaft: 80 Prozent wie in den USA ist in Deutschland utopisch. „Das deutsche Wissenschaftssystem fördert Kinderlosigkeit, vor allem durch prekäre Anstellungsverhältnisse – befristete Stellen, z.T. sogar nur monatsweise – und erzwungene Hypermobilität – laufend Wechsel der Universitäten, ja des Bundeslandes gefordert“, so Fröhlich. Rund drei Viertel aller wissenschaftlichen Mitarbeiter an den Unis haben somit keine Kinder, die Quote ist bei Männern wie Frauen annähernd gleich. Bei den (älteren) Professoren und Professorinnen gibt es laut Studie hingegen einen großen Geschlechterunterschied: Während zwei Drittel der Männer Väter sind, liegt die Rate bei den Frauen bei nur 38 Prozent.

Das heißt mit anderen Worten: Kinder kommen „an den Unis“ – wenn überhaupt – erst spät zur Welt, Frauen müssen für ihre Karriere als Uni-Professorin fast doppelt so oft auf ein Kind verzichten wie Männer. Die Rahmenbedingungen, Phänomene wie das Publikationsverhalten zu untersuchen, sind also ganz andere – das dürfte in Österreich auch nicht anders sein.