Genome Editing

Kritik an EU-Studie zu neuer Gentechnik

Eine Studie der EU-Kommission, die im April 2021 erscheint, dürfte wegweisend für die zukünftige Regulierung gentechnisch veränderter Organismen werden. Umweltschutzorganisationen kritisieren jetzt den Entstehungsprozess der Studie – die Interessen der Industrie seien dabei zu stark berücksichtigt worden.

Gentechnisch veränderte Lebewesen und Nutzpflanzen in Nahrungsmitteln sind seit jeher ein umstrittenes Thema. In Österreich wird ihr Einsatz in der Landwirtschaft bzw. der Nahrungsmittelherstellung vom Großteil der Bevölkerung abgelehnt. Bisher sind alte und neue gentechnische Methoden in der Europäischen Union gleich streng reguliert: Die Produkte müssen nachweislich sicher für Mensch, Tier und Umwelt sein, und es gibt eine Kennzeichnungspflicht.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 4.3., 13:55 Uhr.

Einzelne EU-Länder können den Anbau zugelassener gentechnisch veränderter Pflanzen untersagen, das gilt auch für Organismen, deren Erbgut mittels Genome Editing, wie der „Genschere“ CRISPR-Cas, verändert wurde. Die Agrar- und Biotech-Industrie sowie zahlreiche Forschungsinstitutionen hoffen allerdings auf eine Deregulierung. Denn Produkte der modernen Gentechnik enthielten meist nur kleine Veränderungen, die auch durch Zufall in der Natur entstehen könnten bzw. durch herkömmliche Züchtung und Selektion, so die Argumente. Hier hofft man auf eine Deregulierung, zu der die neue Studie der EU-Kommission führen könnte.

Kritik: Industrie zu stark vertreten

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 kritisiert nun gemeinsam mit anderen NGOs den Erhebungsprozess der Studie, für die verschiedene Interessensgruppen befragt wurden. Die Industrie sei überproportional berücksichtigt worden, sagt Brigitte Reisenberger, Gentechniksprecherin von Global 2000.

„Vertreter der Industrie machten 74 Prozent der Befragten aus, und wir haben einzelne Unternehmen identifiziert, die über Branchenverbände bis zu neun Mal vertreten waren“, so Reisenberger. Vierzehn Prozent entfielen auf Umwelt- und Konsumentenschutzorganisationen, zehn Prozent auf Vertreter der Landwirtschaft und der kleinste Teil, nur zwei Prozent der Befragten, waren Forschende.

Forderung an EU und Regierung

Weitere Kritikpunkte des Berichts beziehen sich auf die Gewichtung der Fragen und mangelnde Transparenz: Es wurden mehr Fragen zu möglichen Profiten als zu möglichen Risiken mittels neuer Gentechnik veränderter Organismen in Lebensmitteln gestellt. Die detaillierte Beantwortung würde zudem erst gemeinsam mit der Studie selbst und nicht bereits davor veröffentlicht. „Wir werden keine Möglichkeit mehr haben, hier ernstzunehmend auf die Ergebnisse der finalen Studie zu reagieren und einzuwirken“, so Reisenberger.

Von der EU-Kommission fordert Global 2000 eine transparente Wiederholung der Studienerhebung. An die österreichische Regierung appelliert man, sich für eine Beibehaltung der strengen Regulierung einzusetzen. Vom zuständigen Gesundheitsministerium heißt es in einer Stellungnahme, dass auch für die neue Gentechnik die drei Grundpfeiler Vorsorgeprinzip, wissenschaftliche Risikobewertung und Kennzeichnungspflicht gelten. Diese Sicht werde man auch zukünftig auf EU-Ebene in allen Diskussion vertreten, so Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in der Stellungnahme.